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Bäckerhandwerk
Respirationsallergien bei Bäckern im Sinne der mehlallergischen Rhinitis oder des mehlallergischen Asthma bronchiale stellen häufige Berufskrankheiten dar. Wie zahlreiche Untersuchungen gezeigt haben, sind neben den im Mehl natürlich vorkommenden Bestandteilen auch die zugesetzten Backmittel bedeutsame Inhalationsallergene. Sowohl berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankungen als auch Hautkrankheiten sind im zunehmen.
Die Beschwerden beim allergischen Asthma der Bäcker bestehen aufgrund des permanenten und intensiven Kontaktes mit den auslösenden Allergenen ganzjährig. Neben dem Weizenmehl ist auch das etwas seltener gebrauchte Roggenmehl von Bedeutung.
IgE-Antikörper werden auf eine Vielzahl von Weizenmehlkomponenten bei Patienten mit Bäckerasthma gefunden. Die stärksten Reaktionen zeigten sich auf Weizenalbumin und -globulin. Darüber hinaus spielen niedermolekulare Weizenmehlallergene bei der Pathogenese des Bäckerasthmas eine Rolle. Es konnte eine 15 kD große Komponente isoliert werden, die als alpha-Amylase-Inhibitor, ein Hauptallergen beim Weizenmehl, identifiziert wurde. Alpha-Amylase-Inhibitoren finden sich - mit Homologien zwischen 20 und 60 % - in den verschiedenen Getreidemehlen.
Gluten, das ”elastische Protein”, das insbesondere in Weizen vorkommt hat ebenfalls Bedeutung für die Entwicklung obstruktiver Bronchial- oder gastrointestinaler Erkrankungen.
Neben den mehleigenen Allergenen spielen auch Backmittelzusatzstoffe wie z.B. Backmittelenzyme eine zunehmende allergologische Rolle. Neben der Inhalation des Mehlstaubs atmet der Bäcker nicht nur Getreidemehlbestandteile, sondern auch Partikel zugegebener Backmittelzusatzstoffe und verschiedene Verunreinigungen der Mehlen ein. So gewinnt u.a. auch das kohlenhydratspaltende Enzym alpha-Amylase aus Aspergillus oryzae (neben der mehleigenen alpha-Amylase) an Bedeutung. Es stellt ein bedeutendes Inhalationsallergen dar und gehört zu den häufigsten Auslösern von berufsbedingten Atemwegserkrankungen. Alpha-Amylasen werden heute routinemäßig in Backmitteln oder direkt dem Mehl für die Herstellung bestimmter Backwaren wie Brötchen, Brot, Kleingebäck usw. zugesetzt. Sie dienen der Substitution von mehleigenem Enzym, dessen Gehalt je nach Getreidesorte, Bodenbeschaffenheit und Klimaschwankungen variiert. Dadurch werden die Backeigenschaften des Mehls sowie die Verarbeitungseigenschaften des Teiges, insbesondere für die maschinelle Bearbeitung verbessert. Die alpha-Amylase stimuliert dabei das Wachstum von Saccharomyces. Die Sensibilisierungshäufigkeit gegenüber dem Allergen alpha-Amylase wurde im Pricktest, RAST oder Immunoblot in 24-40 % der Fälle von berufsbedingten Asthma und Rhinitis beschrieben. Die sensibilisierten Bäcker sind dabei alpha-Amylase-haltigen Stäuben an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt. Weitere aus Schimmelpilzen gewonnen kohlenhydratspaltende Enzyme sind die Amyloglukosidase und die Hemizellulase.
Die Bedeutung von Papain als Inhalationsallergen ist eher untergeordnet, da dieses proteolytische Enzym eher selten als Backmittelzusatzstoff eingesetzt wird. Sojamehl wird wegen seiner bleichenden Eigenschaft zufügt und kann ebenfalls allergen wirken.
Zumeist bleiben jedoch beim Verzehr von Mehlprodukten gastrointestinale und respiratorische Symptome aus. Eine Inaktivierung der allergenen Proteine durch den Backvorgang und durch den Verdauungsvorgang wird angenommen. So konnte z.B. nur ein schwach sensibilisierendes Potential der hocherhitzten backmehleigenen und der zugesetzten Amylase beobachtet werden. Das Erhitzen des Mehls führt zur Polymerisation und Denaturierung der Proteine, die dadurch den Allergencharakter verlieren. Untersuchungen zeigten, dass nur die native alpha-Amylase allergenes Potential, nicht jedoch die gebackene, d.h. denaturierte Form. Da während des Backvorgangs innerhalb des Brotes und der Teigwaren bei Backtemperaturen von über 200 °C eine weitgehend konstante Temperatur von 98 °C herrscht, ist eine Allergen-Wirkung von alpha-Amylase weitgehend ausgeschlossen. Deshalb treten keine Symptome der Krankheit auf, wenn Personen, die an einer inhalativen Mehlallergie leiden, Backwaren essen.
Die verschiedenen als Verunreinigungen in den Mehlen vorkommenden Milbenarten müssen als mögliche Allergene ebenfalls berücksichtigt werden. Daneben kommt der Bäcker auch mit ubiquitären Allergen in Kontakt, durch die das Krankheitsgeschehen ebenfalls beeinflusst wird. Auch Pilzsporen können über die Mehle oder direkt über Lüftungen und Raumöffnungen in die Backstube gelangen. Allerdings ist die Bedeutung der Pilzsporen im Rahmen der Bäckereierkrankung unklar.
Wenn auch der Begriff ”Mehlallergie” damit relativiert wird, steht jedoch zahlenmäßig die Sensibilisierung durch Mehlbestandteile im engeren Sinn im Vordergrund.
Potentielle ”Bäcker” Allergene
Hilfsmittel und Zusatzstoffe
- kohlenhydratspaltende Enzyme
- alpha-Amylase (aus Aspergillus oryzae)
- Amyloglukosidase (von Aspergillus niger)
- Hemizellulase (von Aspergillus niger)
- Sojamehlbestandteile (Additivum zum Bleichen)
- Papain
- Milchpulver (Kasein, alpha-Laktalbumin, beta-Laktoglobulin)
- Gewürze (z.B. Gewürzstaub von Kardamom, Zimt, Gewürznelke, Anis, Koriander)
Arthropoden als mögliche Allergene des Bäckerasthmas
Ubiquitäre (zusätzliche Allergene)
- Gräserpollen
- Hausstaubmilben
- Pilzsporen (Cladosporium, Penicillium, Aspergillus, Rhodutorula, Saccharomyces)
Testprotokoll Bäcker/Konditoren
Epikutantestung
- Standardreihe
- Riechstoffe (DKG), Duftstoffe (Hermal)
- Antioxidanzien/Stabilisatoren (Hermal), Sorbinsäure (Konservierungsstoffe, Hermal), Natriumbenzoat (Kosmetik, Haushalt, Hermal)
- Fakultativ: eigene Berufsstoffe (Spülmittel u.a.)
Prick/Scratchtest (Sofort- und Spätablesung)
- Weizenmehl, nativ/Extrakt
- Roggenmehl, nativ/Extrakt
- Sojamehl, nativ/Sojastücke nativ
- Kuhmilch, nativ
- Hühnerei, nativ (Eiweiß, Eigelb)
- Haselnuss, nativ
- alpha-Amylase (Aspergillus o.)
- Papain (Carica p.)
- Gewürze (nach Anamnese: Zimt, Anis, Gewürznelke; fakultativ: Koriander, Kardamom, Kümmel)
- mitgebrachte Substanzen, fakultativ (nach Anamnese): Guarkernmehl, Johannisbrotkernmehl, Lebensmittelfarbstoffe (Amaranth, Tartrazin u.a.), Gluten usw.
Scratch-Chamber-Testung
Vier oberflächliche Skarifikationen mit einer feinen Nadel, Applikation des Testmaterials unter einer großen Finn-Kammer für 24 h. Ablesung nach 24 h und 48 h.
- Roggenmehl, nativ
- Weizenmehl, nativ
- Papain aus Carica papaya
- Amylase (Aspergillus)
- eigene Mehle und Backhilfen
Ggf. Expositionstest
- Knettest mit Teig (Ablesung nach 20 min und 24 h)
Neben den beruflich bedingten Inhalationsallergien stehen bei Bäckern, Konditoren, Backwaren-, Konditorwaren-Herstellern und -Verkäufern bzw. weiteren assoziierten Berufsgruppen irritative Kontaktekzeme der Hände und Unterarme im Vordergrund. Wesentliche Auslöser sind ausgeprägte Feuchtexposition in Verbindung mit Detergenzien, aber auch Mehle, Zucker, Gewürze, organische Säuren (wie Essig-, Milch-, Ascorbin-, Zitronen- und Weinsäure) sowie Backtreibmittel (Karbonate und andere) und insbesondere feuchte Hefe (Hefedermatitis) stellen bei direktem Hautkontakt Auslöser der irritative Kontaktekzem dar.
Als Auslöser von allergischen Kontaktekzemen spielen Mehle selbst, insbesondere Weizen- aber auch Roggen- und andere Mehle, eine wichtige Rolle. Daneben werden kontakturtikarielle bzw. zweiphasische Hautveränderungen im Sinne einer Proteinkontaktdermatitis beobachtet.
Gewürze, vor allem Zimt und Nelken, verursachen kontaktallergische, urtikarielle, aber auch irritative Hautveränderungen.
Allergologisch bedeutsame Zusatzstoffe sind z.B. Antioxidanzien wie Butylhydroxyanisol (BHA), Schwefeldioxid und Sulfite, Gallate sowie Tocopherol. Bekannte Auslöser von Kontaktreaktionen sind auch die breit eingesetzten Konservierungsstoffe Sorbinsäure und Sorbate und Parabene (p-Hydroxybenzoesäureester und Verbindungen), der Trägerstoff/Lösemittel Propylenglykol sowie manche Überzugsmittel, die aus pflanzlichen Harzen gewonnen werden und in Einzelfällen mit Perubalsam und Riechstoffen kreuzreagieren können.
Daneben kommen als Auslöser allergischer oder irritativer Kontaktreaktionen die Inhaltsstoffe von eingesetzten Schutzmaterialien, angewandten schützenden und pflegenden Externa, Bestandteilen von Gerätschaften, deren Armaturen (Griffen u.ä.) oder nicht zuletzt ubiquitär vorkommende berufsunabhängige Noxen in Betracht.
Literatur: 67, 68, 69, 70, 71
Gesundheitscheck Darm Plus (Zonulin) Stuhltest Burnout plus Kombitest (Stress & Erschöpfungs Test)
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