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      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 13th 2015 bearbeitet
     

    (12.7.2015) Das Unheil nimmt seinen Lauf....

    Griechenland steht vor der wirtschaftlichen und sozialen Implosion und die deutsche Politik denkt nahezu ausschließlich darüber nach, wie man die Lage noch weiter verschärfen, verschlechtern und verschlimmern kann. Es vergeht mittlerweile kein Tag mehr, an der die Unfähigkeit und Ignoranz verbunden mit einer geradezu unsäglichen Unmenschlichkeit - eine geradezu tödliche Kombination - von weitenTeilen der deutschen Politik immer deutlicher offenbar werden, es fehlt jeglichster Sachverstand und es besteht keinerlei moralischer Komplass, wenn man beabsichtigt ein ganzes Volk sehenden Auges in den Abgrund schicken will obwohl man selbst Hauptbeteiligter und -verursacher der derzeitigen Krise mit einer geradezu unsäglichen Austeritätspolitik und absurden Rettungspaketen ist, von denen von Anfang an klar war, dass diese niemals würden zurückgezahlt werden können. Die wirklich Notleidenden wie die griechische Bevölkerung oder aber-tausende von Flüchtlingen werden von dieser Politik allenfalls als bessere Statisten betrachtet. Die komplette Realitätsferne der Politik ist mittlerweile kaum mehr zu verstehen und man fragt sich, was diese Menschen tatsächlich so antreibt. Ein umfassender Artikel ist derzeitig bei den Deutschen Wirtschafts Nachrichten (DWN zu lesen, der die derzeitige Situation umfassend beleuchtet und darstellt.

    (DWN vom 12.7.2015) Eisberg voraus: In der Krise versagt die EU als Egoisten-Union

    Der EU droht der Zerfall wegen moralischer Insuffizienz. Sowohl bei Griechenland als auch in der Flüchtlingsfrage versagen alle ethischen Sicherungssysteme. Das politische Establishment in Europa erweist sich als Ansammlung von Schreibtischtätern, ohne moralischen Kompass und ohne Sachverstand. Die Titanic hat am Eisberg angeschlagen. Die Besatzung diskutiert über die mangelhaften Baupläne des Schiffs. Das Unheil nimmt seinen Lauf.

    Es ist für den neutralen Beobachter völlig unverständlich, dass die EU in der Stunde der Krise offenbar geschlossen versagt.

    Das eigentliche Problem sind in diesem Fall gar nicht so sehr die von der tatsächlichen Macht abgeschnittenen Institutionen in Brüssel, als vielmehr die Parteien in den Mitgliedsstaaten. Es fehlt ihnen am Sachverstand und am moralischen Kompass. Das ist eine tödliche Kombination. Das politische Handeln wird nur noch von der Droge des eigenen Machterhalts und der rastlosen Gier nach dem Machtgewinn geprägt.

    Bis jetzt war die EU eine Schönwetter-Veranstaltung: Die Regierungen haben das Geld der Steuerzahler über den Kontinent verteilt, als gäbe es kein Morgen. Doch nun haben wir es mit zwei konkreten Herausforderungen zu tun: Der Griechenland-Krise und dem Flüchtlingsproblem. In beiden Fällen führt das Aufkommen von echten Problemen nicht zu einem engagierten Eingreifen, sondern zu einer Erosion der Solidarität. Niemand will über seinen Schatten springen. Die wirklich Notleidenden – die griechische Bevölkerung und tausende Flüchtlingen – sind bestenfalls Statisten. Ihr Schicksal spielt keine Rolle. ...

    Es ist im Grund hier und heute völlig bedeutungslos, wie es zu der Eskalation gekommen ist. Entscheidend ist, dass wir es mit „Gefahr im Verzug“ zu tun haben: Der juristische Begriff bedeutet im Grunde, dass man zum Handeln verpflichtet ist, wenn man eine Gefahr für Leib und Leben anderer erkennt. Es geht hier nicht um mittel- und langfristige Strategien oder gar um Rechthaberei. Für alle funktionierenden Gesellschaften gilt: In einer akuten Not-Situation müssen unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden, um Schaden von den Menschen abzuwenden. Diskutieren kann man später. In dieser Hinsicht sind die Amerikaner den EU-Politikern um ein moralisches Lichtjahr voraus: Die Amerikaner drängen seit Wochen auf eine Lösung in Griechenland. Mag sein, dass geopolitische Gründe eine Rolle spielen, weil Griechenland ein Nato-Mitglied ist. Doch für die notleidende griechische Bevölkerung st das Nebensache. Sie schlittern dramatisch schnell zuerst in eine humanitäre Katastrophe und dann in ein wirtschaftliches Debakel, das 20 Jahre dauern kann. Die Amerikaner sind fassungslos, dass die EU hier nicht handelt.

    ... Griechenland steht, wie der Guardian schreibt schreibt, vor der wirtschaftlichen und sozialen Implosion. Und Wolfgang Schäuble legt ein Papier vor, in dem er vorschlägt, Griechenland aus dem Euro zu werfen. Griechenland wird nicht nur aus Europa fliegen. Es fliegt aus der Zivilisation, wenn nicht sofort gehandelt wird.

    Im Falle Griechenlands eint Euro-Retter und Euro-Gegner ein gefährlicher Realitätsverlust. Man streitet über Griechenland so, als hätte man alle Zeit der Welt. Doch de facto ist die Lage dramatisch. Die Banken sind seit zwei Wochen geschlossen. Die Lebensmittel werden knapp. Die soziale Stabilität ist auf der Kippe. Täglich strömen 1.000 Flüchtlinge nach Griechenland Wenn Griechenland zusammenbricht, wird das ganze Land zum Flüchtlingslager...

    Hätten die Euro-Retter einen moralischen Kompass, würden sie jetzt alles tun, um den Zusammenbruch in Griechenland zu verhindern: Die EZB müsste die ELA-Kredite sofort deutlich ausweiten, um die Wirtschaft wenigstens notdürftig zu stabilisieren. Parallel müsste ein ESM-Programm geben, um Griechenland bis zum Jahresende in die Balance zu bringen.

    Es ist erschreckend, dass in der ganzen Debatte bisher nicht ein einziger kreativer Vorschlag gekommen ist. Würden die Euro-Retter ihre ewigen Sitzungen nicht dazu verwenden, sich gegenseitig austricksen zu wollen, müssten sie sagen: Das Austeritäts-Konzept ist gescheitert....

    Wenn die Euro-Retter bei Sinnen wären, würden sie jetzt alle gemeinsam reinen Tisch machen: Die Lage der Wirtschaft in Spanien, Italien, Frankreich, Portugal, Slowenien und in den meisten osteuropäischen Staaten ist viel schlechter als die offiziellen Zahlen es ausweisen. Jeder weiß das. Doch man hält die Fiktion aufrecht, Griechenland könne als Einzelfall gesehen werden. ..

    Wenn die EU und ihre Mitgliedsstaaten Europa nicht insgesamt ins Unglück stürzen wollen, müssten sie noch im Juli einen gemeinsame Europa-Rettungs-Konferenz starten, in der offen über die faulen Kredite, die außer Kontrolle geratene Schulden-Spirale, die hohe Jugendarbeitslosigkeit, das Lohn-Dumping, die Gefährdung der Spareinlagen, die Austrocknung der Sozialsysteme und das Flüchtlingsproblem diskutiert werden. Doch dies kann nur geschehen, wenn nicht jeder mit einer „hidden agenda“ antritt. Die europäischen Probleme müssten als gemeinsame Probleme anerkannt und gelöst werden. Der Euro mag sich dann als ein Problem darstellen. Das muss adressiert und offensiv gelöst werden...

    Doch dies ist der zweite Schritt: Der erste Schritt muss sein, kurzfristig den Zusammenbruch in Griechenland zu verhindern und gleichzeitig eine verbindliche Roadmap für die Flüchtlinge zu finden....

    Literatur

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/07/12/eisberg-voraus-in-der-krise-versagt-die-eu-als-egoisten-union/

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      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 14th 2015 bearbeitet
     

    (14.7.2015) Lähmendes Mittelmaß bringt Europa schleichend an den Rand des Abgrunds

    Es ist doch wirklich sehr schön zu erleben, dass es offenbar auch noch andere Menschen gibt, die diese unsägliche Ignoranz und Unfähigkeit insbesondere der deutschen Politik derartig anprangern...die Unmenschlichkeit dieser Politik ist zudem ganz deutlich herauszulesen!

    Bei den Nachdenkseiten ist aktuell ein Beitrag von Peter Vonnahme zu lesen. Er war Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und hat Bezüge zu Griechenland. Vonnahme nennt die Fehler griechischer Regierungen in der Vergangenheit und beschreibt die jetzigen Zumutungen gegenüber Griechenland. Er sieht eine der Ursachen für die insgesamt gefährliche Entwicklung im Mittelmaß der handelnden Personen, also von Schulz, Juncker, Tusk, Draghi, Merkel, Hollande, Cameron, Schäuble, Gabriel …

    Der Brüsseler Vergewaltigungsmarathon ist seit einem Tag vorüber. Griechenland ist weichgekocht. Ministerpräsident Tsipras wurde nach 17-stündigem Ringen erfolgreich genötigt, sein Land „retten“ zu lassen. Er stand als einsamer Bittsteller eines heruntergekommenen Landes gegen eine Front von 18 „Geberländern“ (teilweise mit großen eigenen Schuldenproblemen) sowie EZB und IWF. Er wollte verhindern, dass Millionen seiner Landsleute hungern, erkranken, obdachlos werden, verzweifeln, sich umbringen. Sein erklärtes Ziel war es, die zerstörerische Austeritätspolitik zu beenden.

    Es war frühzeitig abzusehen, dass er keine Chance hatte, sich der von Schäuble, Merkel & Co. ersonnenen Daumenschrauben zu erwehren. Denn hätte er den angestrebten Schuldenschnitt erreicht, dann hätte das unweigerlich die Gefahr begründet, dass auch andere in Finanznöten steckende südeuropäische Länder das griechische („kommunistische“) Modell übernehmen. Es hätte hohe Ansteckungsgefahr bestanden....

    Das griechische Drama geht in die nächste Runde – Einzelheiten eines Giftcocktails

    Das nun durchgepaukte 3. Hilfspaket verpflichtet Griechenland u.a. zur drastischen Anhebung der Mehrwertsteuer und des Renteneintrittsalters, zur Einrichtung eines Treuhandfonds unter europäischem Kuratel, zur Privatisierung von Häfen und Flughäfen und sonstigem Staatseigentum. Der Verkaufserlös soll nur zu einem geringen Teil im Land investiert werden, der weitaus größere Teil soll der Schuldenabsicherung dienen. Der für die Sanierung Griechenlands notwendige Schuldenschnitt scheiterte insbesondere am deutschen Widerstand.... Der Vorgang verdeutlicht, dass die europäischen Institutionen Griechenland inzwischen als Protektorat betrachten, das nur noch den Willen des Protektors umzusetzen hat. Es gilt die Devise: Vogel friss oder stirb! ... Der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman kommentierte das Vorgehen der Retter treffend: Das sei nicht mehr Strenge, das sei schiere Rachsucht und vollständige Zerstörung nationaler Souveränität, ohne Hoffnung auf Abhilfe. Es sei ein grotesker Verrat an allem, wofür das europäische Projekt eigentlich stehen sollte.

    ... Der Hauptbelastungszeuge gegen Varoufakis ist Minister Schäuble. Wer aber diesen Besserwisser im TV erlebt hat, wie er mit herablassender Arroganz und eitler Selbstgefälligkeit über seinen wort- und weltgewandten griechischen Ministerkollegen hergezogen ist („dümmlich, naiv“), wird ihm schwerlich professionelle Distanz zubilligen können. Ich halte Schäuble überdies wegen seiner eingeschränkten persönlichen Glaubwürdigkeit (Strafverfahren Spendenaffaire, Verdacht auf Meineid) als Gewährsmann für wenig tauglich. Das hat jedoch die einheimische Journaille nicht davon abgehalten, Schäubles von erkennbarer Antipathie getragene Abwertungen seines Kollegen als Quell der reinen Wahrheit zu verbreiten. Nebenbei: Dem hämischen Zyniker Schäuble ist das miserable aktuelle Deutschlandbild in Griechenland und anderswo maßgeblich zu verdanken. Das ist nicht allein seiner Härte in der Sache geschuldet, sondern der unübersehbaren Geringschätzung eines in Not befindlichen Landes und seiner Vertreter.

    Gefahrenpotentiale, strukturelle Schwächen und wenig Hoffnung auf Abhilfe

    Inzwischen steht nicht nur das Schicksal Griechenlands auf dem Spiel, sondern im Falle des nach wie vor drohenden „Grexit“ der Fortbestand der Eurozone und – zu Ende gedacht – sogar die europäische Union. ...Das sichert zwar die Deutungshoheit über den Stammtischen und wohlfeile Wählergunst. Es wird aber dem europäischen Friedensprojekt und dem Solidaritätsgedanken nicht gerecht.

    Die Gefahr für das „Wohlstands- und Friedensprojekt Europa“ ist beträchtlich. Wenn es scheitert, dann ist der Grund hierfür nicht Griechenland. Dazu ist dessen wirtschaftliche Bedeutung viel zu gering. Das griechische Bruttoinlandsprodukt beträgt gerade mal 1,2 % der europäischen Wirtschaftsleistung. Tsipras und Varoufakis sind somit nicht der Grund für die europäische Krise, sie sind nur deren Indikatoren. Wenn das europäische Schiff ins Schlingern gerät, dann ist die Ursache in der politischen Schwäche des EU-Systems und seines Führungspersonals zu sehen. Letzteres ist durch die aktuellen Großprobleme (neben der Staatsschuldenkrise mehrerer Länder, die Gefahr eines britischen EU-Austritts, die Ukraine-Krise, die sinnvolle Positionierung zu Russland, das ungelöste Flüchtlingsproblem, die Orientierungslosigkeit in Energie- und Klimafragen, usw.) offensichtlich überfordert. Lähmendes Mittelmaß à la Schulz, Juncker, Tusk, Draghi, Merkel, Hollande, Cameron, Schäuble, Gabriel bringt Europa schleichend an den Rand des Abgrunds. Die deutsche Kanzlerin lässt sich zwar gerne als mächtigste Frau der Welt feiern. Wenn aber in einer existenziellen Krise echte politische Führung nötig wäre, dann taucht sie ab und lässt ihren Pressesprecher verkünden, dass Griechenland seine Hausaufgaben machen soll. Bei besonderen Anlässen raunt sie bedeutungsschwanger: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ ohne jedoch erkennbare Konsequenzen aus dieser Einsicht abzuleiten. Das ist zu wenig.

    Die Griechenland-Krise hat gezeigt, dass es Europa nicht an Geld fehlt. ..

    Schuldenschnitt

    Die Lösung kann nicht sein, dass zu den Krediten in Höhe von 320 Milliarden weitere 80 Milliarden nachgereicht werden. Das würde allein dazu führen, dass alte Schulden mit neuen Schulden bezahlt werden. Die Gelder würden bildlich gesprochen die Sonne Griechenlands ein paar Stunden sehen, um dann sogleich wieder in die Tresore deutscher, französischer und englischer Banken zurückzufließen.

    Nötig ist vielmehr ein deutlicher Schuldenschnitt, wie Deutschland ihn nach dem Zweiten Weltkrieg in der Londoner Schuldenkonferenz von 1953 erhalten hat. Das wäre wirtschafts- und finanzpolitisch folgerichtig. Ich habe noch keinen Ökonomen gesehen, der meint, dass Griechenland die erdrückenden Staatsschulden jemals wird abtragen können. In anderen Worten: Die Rückzahlungsansprüche stehen auf dem Papier, sie sind jedoch weitgehend wertlos, Ramschniveau. Gleichwohl will Merkel davon nichts wissen. Vielmehr sagt sie mit der Miene der sparsamen schwäbischen Hausfrau: „Ein nominaler Schuldenschnitt kommt für uns nicht infrage“. Allenfalls ein Hinausschieben des Schuldendienstes sei denkbar. Vorsorglich hat sie nicht hinzugefügt „auf den Sankt-Nimmerleins-Tag“. Der Grund für diese Zurückhaltung liegt auf der Hand. Es wäre das stille Eingeständnis des Scheiterns der insbesondere von ihr und Schäuble geförderten Rettungspolitik. Diesen Gesichtsverlust will man sich natürlich sparen.

    Man kann es nicht oft genug wiederholen: Mit dieser Politik ist Mutti krachend an die Wand gefahren. Die 320 Milliarden sind futsch oder – etwas vornehmer ausgedrückt – sie sind perdu. Der deutsche Anteil daran beträgt satte 80 Milliarden.

    Die Rettungspakete hatten überdies den grandiosen Nebeneffekt, dass Gläubiger der griechischen Staatsschulden heute nicht mehr die Banken und die privaten Spekulanten sind, sondern die europäischen Steuerzahler. Die Erstgenannten haben verständlicherweise ausgelassene Freudentänze aufgeführt. Der explodierende Dax war die passende Begleitmusik dazu. Die Letztgenannten, also wir, taten das, was wir immer tun. Wir fügten uns in dem Bewusstsein, dass es uns gut geht (O-Ton Merkel), in das Unvermeidliche und freuten uns, wenn die Kanzlerin treuherzig in die Kamera grinste und dazu die Hände zu ihrer unvergleichlichen Raute faltete.

    Spekulationen

    Wenngleich bei den Brüsseler Verhandlungen echte Solidarität mit den Menschen auf der Strecke blieb, so ist zumindest wieder etwas Zeit gewonnen – und sei es nur bis zum nächsten Notfall. Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass das Elend der Griechen weitergehen wird und zwar in schlimmerer Form als bisher...

    Literatur

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=26785#more-26785

     

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      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 16th 2015 bearbeitet
     

    (15.7.2015) Weitere eindrückliche Belege für die Ignoranz und Unmenschlichkeit in der deutschen Politik

    Albrecht Müller, Herausgeber der "Nachdenkseiten", hat (nochmalig) die Umstände ganz deutlich herausgestellt, wieso es überhaupt zu einer derartigen Stärke der deutschen (Export)-Wirtschaft kommen konnte und wieso jetzt deutsche Politiker darüber zu einer derartig überheblichen Arroganz und Selbstgefälligkeit sowie äußerst brutalen und unmenschlichen Vorgehensweise überhaupt erst befähigt werden konnten. - Die eigene Leistung war es nämlich in beiden Fällen nicht! Absolut lesenswert auch der Beitrag von "Don %2phonso" auf den Müller Bezug nimmt. Am 13.7. fand nicht nur ein Putsch gegen Griechenland statt, sondern auch gegen die alte BRD!

    (Nachdenkseiten vom 14.7.2015) Merkels Herrenmenschentum gründet nicht auf eigener Leistung sondern auf der Fehlkonstruktion der Eurozone und der brutalen Ausnutzung dieser Fehlkonstruktion

    Es wird in diesen Tagen und Stunden viel geschrieben. ...darunter einen Beitrag von Don Alphonso "Dss ist ein Putsch gegen die alte BRD" auf faz.blog, dem ich die Erinnerung an die Tradition des „Herrenmenschen“ verdanke. In den Analysen und Wertungen der verschiedenen Artikel kommt ein Hinweis zu kurz: Die deutsche Volkswirtschaft verdankt ihre Stärke im Vergleich zu der Mehrheit der anderen Euro Staaten einer Fehlkonstruktion. Man kann eine Währungsunion nämlich nicht gründen, wenn man nicht zugleich dafür sorgt, dass die Wettbewerbsfähigkeiten der Partner/alias: die Lohnstückkosten sich einigermaßen ähnlich entwickeln und auf mittlere Sicht ein Ausgleich der Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite stattfindet. Deutschland hat diese Fehlkonstruktion brutal ausgenutzt. Es hat mit der Agenda 2010 die Löhne gedrückt und ist stolz auf die Entwicklung eines Niedriglohnsektors.

    Damit wurden immer mehr Leistungsbilanzüberschüsse produziert. (2014 ca. 220 Milliarden Euro) Das bedeutet: Deutschland hat seine Arbeitslosigkeit exportiert. Es hat mehr produziert, als es selbst konsumiert und investiert hat.

    Das ist keine neue Analyse. Aber man muss daran erinnern, wenn man die deutsche Politik richtig bewerten will. Merkels, Schäubles, Gabriels und aller anderen Herrenmenschengehabe gründet auf einer falschen Anlage der Währungsunion, und wenn diese falsche Konstruktion nicht geändert wird, dann wird sich auch an den Krisen nichts ändern. Das Herrenmenschenturm gründet darüber hinaus auf der Charakterlosigkeit und dem Egoismus der handelnden Personen. Wenn man es gut mit ihnen meint, kann man Charakterlosigkeit auch durch Nichtwissen ersetzen. Aber das macht die Sache nicht besser.

    Die Agenda 2010 hat die Auswirkungen der Fehlkonstruktion verschärft

    Sigmar Gabriel und die anderen Führungspersonen der SPD könnten ja mildernde Umstände verlangen, weil sie es vermutlich wirklich nicht besser wissen und weil ihre Not mit der innerparteilichen Verteidigung der Agenda 2010 sie zu einer folgenschweren Falschbewertung veranlasst: ....Deutschland sei ein starkes Land. Die SPD rühmt sich einer „beispiellosen Exportstärke“ und führt diese wesentlich auf die vor zehn Jahren durchgeführten Reformen, gemeint ist die Agenda 2010, zurück.

    Das bedeutet: Die SPD Führung versteht nicht einmal, dass die aus der Agenda 2010 folgende relative Lohndrückerrei und der von Gerhard Schröder ausdrücklich gerühmte Aufbau des Niedriglohnsektors die Fehlkonstruktion der Währungsunion verschärft hat.

    Nebenbei: So anders kann eine Parteiführung handeln, wenn sie von volkswirtschaftlichen Kenntnissen verschont bleibt. 1969 hat die damalige SPD Führung den Wahlkampf mit der Forderung nach Aufwertung der D-Mark geführt. In einer total vergleichbaren Situation. Und sie hat damit gewonnen und den Kanzlerwechsel geschafft. Jetzt trudelt sie Richtung 20 %.

    Zurück zur Sache und zu einem alten aber stimmigen Lied: um den weiteren Zerfall der Eurozone zu verhindern, ist es dringend notwendig, die Entwicklung der Lohnstückkosten aneinander anzupassen. Das kann man nicht alleine nur von den Leistungsbilanzdefizitländern verlangen. Daran müssen Deutschland, Österreich, die Niederlande und andere Überschussländer mitwirken...

    (FAZ.Blogs vom 13.7.2015) Das ist ein Putsch gegen die alte BRD

    Es hat unendlich viel Arbeit im Grossen und Kleinen und viel Geld der USA gekostet, um nach 1945 mit den anderen Staaten Europas wieder so weit ins Reine zu kommen, dass sie sich auf eine Zusammenarbeit mit Deutschland eingelassen haben. Adenauer in Moskau, Brandt in Warschau, das sind nur die bekanntesten Beispiele dafür, wie man früher die Sache angepackt hat: Demütig. Überhaupt nicht als Herrenmensch...

    ...Für Schröder und Fischer war es ein primäres Ziel, genau so einen Pickelhauben-Eindruck zu vermeiden. Sie wollten – unter deutlichem Druck – nicht wie die überlegene Wirtschaftsmacht erscheinen, die berechtigte Forderungen wegwischt, als wären es lästige, dreiste Bittsteller. Sie taten es, weil eine einsichtige und taktisch kluge BRD ganz andere Ziele zu erreichen in der Lage ist, als ein Pickelhauben tragendes Zerrbild eines autoritären Staates deutschen Wesens. Nach innen mögen Politiker wie Franz-Josef Strauss auch anders gepoltert haben. Nach aussen haben sich aber die meisten Politiker enorme Mühe gegeben und keine Kosten gescheut, um mit Wilhelm-Zwo-Preussen und Drittem Reich zu brechen....Ohne Zwang, ohne finanziellen Profit, ohne offizielle Repräsentanten, ohne Hintergedanken. So war das in der BRD und in Europa.

    Jetzt hat eine Boulevardzeitung Merkel mit einer Pickelhaube gekrönt und das europäische Volk lernt gerade, was „die heimliche Herrscherin Europas“ in der Realität bedeutet...

    ...Wir achten weder die anderen noch auf das, was in den letzten 70 Jahren an Vertrauen zu unserem eigenen Nutzen mühsam aufgebaut wurde, um dem Kontinent unser Diktat aufzuzwingen. Niemand ist in Moskau mit Adenauer, niemand ist in Warschau mit Brandt so umgegangen, wie wir jetzt mit den Griechen umgehen.

    Das ist nicht nur ein massiver Schaden für das in sieben Jahrzehnten aufgebaute Billionenprojekt des neuen Europa. Es ist nicht nur eine bittere Ironie für eine Gemeinschaft, die noch vor Kurzem den Friedensnobelpreis bekam. Es riecht nicht nur nach Napalm der zur Unkenntlichkeit verbrannten Ideale am Morgen. Für diese letzte Nacht in Brüssel werden die Griechen kurzfristig so oder so einen hohen Preis zahlen. Pleite oder Kapitulation und Protektorat, das ist unser Angebot an die Griechen, und für den Rest des Kontinents gibt es keinen Brandt auf Knien mehr, sondern Pickelhauben-Merkel.

    Es ist der Beginn einer neuen Epoche...

    This is a coup. Das ist ein Putsch gegen Griechenland. Und gegen die alte BRD.

    Literatur

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=26783#more-26783

    http://blogs.faz.net/stuetzen/2015/07/13/das-ist-ein-putsch-gegen-die-alte-brd-5404/

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      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 21st 2015 bearbeitet
     

    (21.7.2015) Vollständig substanzlose Mythen und Argumentationen in der derzeitigen Griechenland-Krise

    Man ist immer weiter vollständig fassunglos, je mehr Argumente man hier zusammenträgt, wie die deutsche Politik mit geradezu vollständig hilflosen und nutzlosen Maßnahmen wie Sparprogrammen, Bankenrettungen und Privatisierungen Griechenland (angeblich) vor der (vollständigen) Pleite retten will, jedoch diese inkompetente und gleichzeitig auch inhumane Polikik die humanitäre Notlage und wirtschaftliche Krise in diesem Land - klar und deutlich verhersehbar - immer weiter verstärken wird. Einer der einflussreichsten no3?konomen Südamerikas und Mitglied der UNO-Expertenkommission über die Reformierung des internationalen Währungs- und Finanzsystem, Pedro Páez, analysiert die bestehende Situation in einer beeindruckenden und bestechenden Art und Weise und beschreibt zudem hoffnungvolle Lösungswege aus diesem vollständigen Debakel der deutschen Politik.

    (taz vom 31.5.2015) „Europa kann von Südamerika lernen“

    Sparpolitik, Währungskrise: Die Länder Lateinamerikas haben durchgemacht, was Europa mit seinem Euro-Debakel möglicherweise noch droht.

    Woran sind Ihrer Meinung nach die bisherigen Versuchen der Eurozone gescheitert diese Krise zu lösen?

    Pedro Páez: Ich möchte kein Schulmeister sein, aber mich erschreckt, dass bei der Euro-Krise mit den gleichen substanzlosen Mythen und Argumentationen gearbeitet wird, die sich in Südamerika bereits vor 30, 40 Jahren als falsch erwiesen haben: „Ihr lebt über Eure Verhältnisse”, „Ihr müsst Euch disziplinieren.” Das sind Moralpredigten, um den Menschen das Gefühl einer kollektiven Schuld einzutrichtern, um so massive Sparprogramme zu rechtfertigen.

    Dabei belegen die vielen Erfahrungen aus Lateinamerika, Südost-Asien und Afrika wie töricht diese Politik ist. Selbst die Untersuchungen vom IEO, des unabhängigen Evaluierungsbüros des Internationalen Währungsfonds (IMF), bestätigen das.

    Wenn die Bilanz der Austeritätspolitik so katastrophal ist, wieso werden immer wieder Sparprogramme durchgesezt, die sich letztlich als schädlich für die Gesamtwirtschaft erweisen?

    Europa sollte zur Kenntnis nehmen, dass erst die rigide Sparpolitik die Krise des Staatshaushaltes in vielen Ländern zu einem chronischen Problem gemacht hat.. Austeritäts-Befürworter stört das aber offenbar nicht: Sie machen neue Kredite von „Strukturreformen” in den Bildungs-, Gesundheits- und Rechtssystemen abhängig. Das politische Ziel ist dabei immer das gleiche: Es geht nie um eine wirkliche Tilgung der Schulden, sondern darum, die Bevölkerung durch eine unendliche Kreditspirale in ewiger Knechtschaft zu halten...

    Dabei ist die wirtschaftliche Ausgangslage in Europa Im Vergleich zu jedem anderen anglo-amerikanischen Land viel besser und auch die Staatsschulden sind nicht das wahre Problem. Das wahre Problem sind die untragbaren Finanzspekulationen: Finanzderivate haben das globale Kapitalsystem vergiftet und die Nationalstaaten dazu gezwungen, die eigenen Bankensysteme mit Steuergeldern vor der Pleite zu retten.

    Der einzige Weg, der aus diesem Teufelskreis herausführt ist, mit entschlossenen Maßnahmen die Realwirtschaft wieder zu beleben. Anstatt weiter Billionen in einen Finanzzirkus zu stecken, der die globale Krise verursacht hat, sollten wir dieses Geld in produktive Bereiche investieren.

    Das fällt vielen Regierungen aber schwer, gerade weil die öffentliche Verschuldung durch die Finanzkrise so gestiegen ist.

    Um große Banken zu retten war es möglich, innerhalb von Stunden Milliarden zu mobilisieren. Warum sollte es Europa nicht möglich sein, Geld für Projekte bereitzustellen, die echte Jobs schaffen und Lösungen für die realen Probleme liefern? Wir haben genug technisches Wissen und Geld, um das zu schaffen.

    Es sind aber nicht nur Regierungen die davor zurückschrecken. Es ist auch der Einfluss mächtiger Kapitalinteressen und transnationaler Konzerne, die versuchen das zu blockieren. Wirklich umwälzende Innovationen bedrohen die Besitzstände des monopolistischen Kapitals und seine profitablen Geschäftsmodelle. Um diese zu schützen, versuchen diese Akteure echte Innovation und die Verbreitung von Wissen zu behindern: etwa mit Hilfe von Gesetzen für geistiges Eigentum, mit Patenten und Verboten.

    Die Gesellschaften müssen diesem absurden Treiben ein Ende setzen. Wir können wegen der Gier von ein paar Bänkern nicht auf Chancen verzichten, die neue Jobs und neue Infrastrukturen schaffen und dabei helfen, die großen und wirklich drängenden Probleme der Menschheit zu lösen.

    Auf Griechenland übertragen: würden Sie ein Investitionsprogramm für das Land für sinnvoll halten?

    Nicht nur für Griechenland. Es geht darum, für ganz Europa neue wirtschaftliche Perspektiven durch Kooperationen mit Ländern des Südens und des Ostens zu entwickeln. Denken Sie etwa, welche Chancen in einer „Neuen Seidenstraße” steckten. Allein deren territoriale Ausdehnung von Portugal bis nach China wäre für lange Zeit Basis für Frieden und Wohlstand in der ganzen Welt. Es gibt so viel zu tun...

    Die Deutsche Regierung hat offenbar große Bedenken, was den Kurs betrifft, den Sie beschreiben. Schon bei der Währungsunion waren der Bundesregierung Prinzipien wie Liberalisierung und Wettbewerb wichtiger als Kooperation. Der „Freie Markt” hat Vorrang vor sozialen und fiskalpolitischen Zielen. Muss Frau Merkel jetzt also umdenken?

    Ich möchte ihr keine Ratschläge erteilen, aber ein Blick in die deutsche Geschichte könnte helfen: in den 50er und 60er Jahren erlebte Deutschland sein Wirtschaftswunder. Die damals regierenden Christdemokraten waren klassische Verfechter des Freien Marktes. Doch ihre Entscheidungen beugten sich nicht dem Druck nach kurzfristigen Gewinnen, wie ihn die Spekulanten heute ausüben. Langfristige Investitionen in die Infrastruktur standen nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen des Freien Marktes.

    Die Ordoliberalen Politiker bevorzugten Projekte, von denen der Staat wie auch die Unternehmen langfristig profitierten. Diese Prinzipien - die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor - haben sich seit Jahrhunderten bewährt...

    Es bleibt etwas im Vagen, wenn Sie spekulative Kapitalinteressen kritisieren. Machen Sie es sich da nicht etwas zu einfach? Immerhin streiten sich in der Eurokrise demokratisch gewählte Regierungen.

    Natürlich, aber Sie dürfen nicht ignorieren, dass das Establishement über die gesellschaftlichen Bereich sehr gut vernetzt ist: von der politischen Ebene über die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Medien bis hin zur kulturellen Sphäre.

    Dabei bedarf es gerade in Europa nicht viel, um die strategischen Bedürfnisse der Bevölkerung zu finanzieren, denn Sie verfügen etwa mit der Europäischen Entwicklungsbank über die dafür nötigen Institutionen.

    Europa sollte dabei auch mit Menschen aus anderen Kulturen und Regionen gemeinsam an Lösungen arbeiten..Wir leben in einer Zeit mit enormen geopolitschen Spannungen und Eliten, die im Grunde in einer verzweifelten Lage stecken, weil ihr Spekulations-Dogma am Ende ist. Um das drohende Szenario von noch mehr Chaos und Krieg abzuwenden, müssen wir aufwachen...

    Literatur

    http://www.taz.de/Oekonom-Pedro-P%C3%A1ez-ueber-Finanzkrisen/!5201669/