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Persönliche Meinungen von Dr. Irion: Für eine bessere, moralischere Medizin
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- CommentTimeJan 7th 2015 bearbeitet
(7.1.2015)
Die Zustandsbeschreibung
Das gesamte Medizinsystem befindet sich derzeitig zweifellos in einem Transformationsprozess, weg von einem Gesundheitssystem, das noch gewissen ethisch-moralischen Grundsätzen unterworfen war und die "Kunst des Heilens" noch im Vordergrund und im ganz im Sinne des Patienten stand, hin zu einer profitangepassten und ökonomisierten Gesundheits- und Heilungsindustrie. Die Begrifflichkeiten ändern sich dementsprechend und damit auch die Identität der Medizin. So wird heute innerhalb der Medizin immer weniger vom Helfen und vom Dienst am Menschen gesprochen, als vielmehr von Dienstleistungen, statt Patienten von Kunden (oder wie sollte man vollständig gesunde Menschen, die zunehmend immer mehr die Praxen aufsuchen sonst bezeichen) und an das ehemals sozial-karitative tritt jetzt das ökonomisch-kalkulierende Selbstverständnis der Mediziner.
Häufig wird dabei den Ärzten, insbesondere in den Krankenhäusern, jedoch auch zunehmend in den Arztpraxen, gar keine andere Wahl zu haben, als dafür zu sorgen, dass die Bilanzen stimmen, da man ansonsten um die Zukunft (des Hauses) bangen müsste. Das Präsenthalten der ökonomischen Zahlen wird nach und nach so selbstverständlich, dass die Ärzte es schon gar nicht mehr merken, wie sie durch das System geradezu umprogrammiert worden sind. Dies ist vielleicht die die folgenschwerste Veränderung durch die Ökonomisierung. Neben der strukturellen Bevormundung wird auch derzeitig eine idelle Vereinnahmung der Ärzte erlebt, indem ihnen subtil eine Distanzierung von ihren eigenen Idealen nahegelegt wird. Bedenklich an der Ökonomisierung der Medizin ist dabei die Umprogrammierung in den Köpfen der Ärzte, weg von den eigentlichen Zielvorstellungen einer guten Medizin.
Viele Ärzte versuchen jetzt sich von dieser aufgebauten inneren Bürde dadurch zu befreien, dass sie auf die Sachzwänge verweisen. Ob damit sämtliche Ignoranz und Unfähgkeit bzw. auch Unwilligkeit, grundsätzliche Bereitschaft zur Korrumpierbarkeit (z.B. durch die Pharmaindustrie), die man ja auch erst einmal überhaupt zulassen muss, bis hin zu deutlicher krimineller Energie erklärt und begründet werden kann, darf ganz ernsthaft angezweifelt werden. Wenn jedenfalls Patienten mit unnnötigen Operationen und diagnostischen Maßnahmen überzogen werden, die in jedem objektiven Rechtssystem ganz eindeutig den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllen würden oder sicherlich auch ganz massiver (Abrechnungs-)betrug auf Kosten der Allgemeinheit betrieben wird, wenn zahlreichste ziemlich oder ganz gesunde Menschen, die man sich ganz bewusst (und sei es gerade aus den ökonomischen Zwängen heraus) in die Praxen oder Kliniken holt, dann dementsprechend als "Behandlungsfälle" abgerechnet werden, als ob tatsächlich eine ernsthafte Erkrankung bestanden hätte, sollte eigentlich jeglichstes Verständnis, trotz allem Bemühen, aufhören.
Natürlich hängt diese Ökonomisierung der Medizin und damit notwendige innere Umformung auch mit der Ärzteschaft selbst zusammen, die sich geradezu sehenden Auges in diese Situation gebracht hat und ganz erheblich sogar dazu beigetragen hat, indem sie zahllosen Einzelinteressen den Vorrang vor dem inneren Zusammenhalt der Ärzteschaft gegeben hat. Und natürlich ist die Übernahme der ökonomischen Logik für mache Ärzte auch äußerst komfortabel, wobei jedoch besonders absurd anmutet, wenn dann das eigene Können und die Arbeitskraft für eine geradezu sinnentleerte Tätigkeiten eingesetzt wird, für das man doch wohl eigentlich niemals angetreten war.
Eigentlich sollten gerade die Ärzte ja wissen, dass sie eine zentrale Rolle für die Gewährleistung dessen einnehmen, wofür die Patienten in die Kliniken und Praxen gehen. Die ökonomisierte Medizin ist gerade dann jedoch nicht wirtschaftlich, weil sie Frustrationen und Unproduktivität nach sich zieht.
Literatur
Maio: Geschäftsmodell Gesundheit. Wie der Markt die Heilkunst abschafft. Suhrkamp-Verlag 2014
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- CommentTimeJan 8th 2015 bearbeitet
(8.1.2015)
Verlust der Ganzheitlichkeit in der Arzt-Patienten-Beziehung
Den Patienten in seiner "ganzheitlichen" Form zu betrachten und nicht etwa fragmentiert oder fraktioniert ist ein ganz wesentlicher Umstand für eine optimale Arzt-Patienten-Beziehung und damit eine unabdingbare Voraussetzung für die tatsächliche "Heilung" einer Erkrankung.
Doch zunehmend werden in der modernen Gesundheitsindustrie keine wirklichen Ärzte mehr gefordert, sondern vielmehr Manager, die gekonnt die vorgegebenen Behandlungspakte zusammenbauen. Es wird ein System errichtet, in dem alle Tätigkeiten organisatorisch zerlegt werden, alle Untersuchungs- und Behandlungsabläufe werden fraktioniert , weil man nur so meint überall effizienter zu werden. Zumindest in den Krankenhäusern wird so gleich von Beginn der Aufnahmen an, die Arzt-Patienten-Beziehung ganz konsequent zerstört und die Ärzte werden angehalten, sich nur noch um die Einweisungsdiagnosen zu kümmern und nicht mehr um alle Leiden ihres Patienten. Jeglichste Form von Zuwendung, Empathie und Kommunikation mit dem Patienten werden so gänzlichst den ökonomischen Zwängen und ggf. auch noch einer juristischen Absicherung geopfert.
Kurz vor Jahresende wurde ein diesbezüglich ganz trefflicher Artikel eines Kollegen, der einen Tagesablauf in einem Krankenhaus beschreibt, im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht. Die Situation ist zwar wohl etwas verdichtet, jedoch auch wenn man sich die entsprechenden Kommentare anschaut, durchaus realistisch dargestellt. Und die einzige Frage, die sich dabei allenfalls noch ernsthaft stellt, wie konnte es überhaupt soweit kommen?
Erfahrungsbericht: Katastrophe Krankenhaus von Dr. med. Herbert Bliemeister: Die Erlebnisse eine Honorararztes in einem chronisch kranken System.
Die ganz wesentliche und ureigenste Eigenschaft des "Ärztlichen" ist doch wohl ganz sicherlich, ganzheitlich zu denken nd den gesamten Menschen zu sehen und nicht nur ein Organ, nicht nur eine DRG-Diagnose; ies ist jedoch zunehmend immer weniger gefragt. Die Arbeitsteilung und Fraktionierung aller Abläufe führt zu einer Art Scheuklappenmedizin, weil die Ärzte unter dem Dikatat einer ökonomischen Realität zunehmend dazu gebracht werden, das ganzheitliche Denken abzulegen. Stattdessen werden die Ärzte dafür belohnt, wenn sie sich allein auf die DRG- oder Ausgangsdiagnose und somit auf ein Teilsegment beschränken. Sie werden so dazu angehalten, einfach nur objektive Befunde zu sammeln und immer mehr Entscheidungen allein aus diesen Befunden heraus zu fällen - ohne den kranken Menschen selbst zu betrachten. Dies ist sicherlich eine der folgenschwersten Veränderungen in den Krankenhäusern. In einem auf organisatorische Effizienz ausgerichteten System bekommt der eigentlich durch einen Erfahrungsschatz geprägte ärztliche Zugang zum Patienten einem enormen Bedeutungsverlust. Diese zentrale ärztliche Qualifikation soll nach der organisatorischen Rationalität von heute endgültig ausgedient haben. Im Zuge der exzessiven Ökonomisierung erfolgt daher ein ganz massiver Trend zur Herabsetzung der Qualität des Arztberufes. Dabei wird geradezu etwas wegrationalisiert, was der Patient sich vor allem anderen wünscht: als Person gesehen zu werden, die ein individuelle Behandlung erfährt und nicht nur als Träger objektiver Zeichen, die standardisiert durchgeschleust werden.
Ich beschreibe diese Umstände hier auch nur deshalb derartig ausführlich, da es mittlerweile eine zunehmende Absetz- und Gegenbewegung dazu gibt, den Trend hin zur sog. Alternativmedizin, bei der jedoch die Menschen geradezu in die Arme und Fänge von Scharlatanen, Quacksalbern, Heilpraktikern, Homöopathen, Geist- oder Quantenheilern etc. getrieben werden, denen zumindest ein Umstand vollständig gemein ist, nämlich keinerlei fachlich qualifizierte medizinische Ausbildung oder Ahnung zu haben, und dies vornehmlich deshalb, weil hier tatsächlich vorgegeben wird, den Menschen "ganzheitlich" zu sehen und behandeln zu wollen. Dass dies zwar eine ganz massive Vortäuschung falscher Tatsachen ist, lässt sich am Beispiel der Homöopathie ganz explizit darstellen, die entgegen der häufig verbreiteten Ansichten als eine ausgesprochen symptom-basierte Therapieform anzusehen ist, die sich ausschließlich auf geschilderte und beobachtbare Symptome des Patienten stützt, wobei die Ätiologie (Ursachenforschung) von Krankheiten weitgehend ausgeblendet wird. - Erklärbar wird diese Hinwendung zu einer derartigen Pseudo- und Paramedizin jedoch erst durch die zunehmende Enttäuschung zahlreichster Patienten von der traditionellen und wissenschaftlich orientierten Medizin.
Literatur
http://www.aerzteblatt.de/archiv/166954/Erfahrungsbericht-Katastrophe-Krankenhaus
https://www.psiram.com/ge/index.php/Hom%C3%B6opathie
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- CommentTimeJan 12th 2015 bearbeitet
(12.1.2015)
Auswirkungen einer ökonomisierten Medizin
1. Kategorisierung der Patienten nach ökonomischen Kriterien
Bei jedem Patienten wird vom Arzt stets mitreflektiert, welche Bilanz er verspricht. So werden Patienten zu wirtschaftlichen Verlustposten oder lukrativen Gewinnbringern; es wird zwischen Patienten, die noch ins Budget oder Regelleistungsvolumen passen oder diese eben sprengen, unterschieden. Zu den unbeliebten und potenziell budgedsprengend gelten vor allem chronisch und schwer Kranke, Patienten mit Mehrfacherkrankungen, mit Komplikationsrisiken, hohem Verwaltungsaufwand oder unklarer Diagnose. Solche Patienten versucht man eher zu meiden bzw. wählt diese nach geschäftlichen Gesichtspunkten aus. Häufig genug steht so nicht mehr die Linderung der Not durch selbstverständliche Hilfe und professionelles Können im Vordergrund , sondern Patienten werden so benutzt, um Gewinn zu erzielen. Hinzu kommt, dss ökonomisch motivierte Entscheidungen von den Ärzten nicht deutlich gemacht werden und stattdesssen, wo ökonomische Kriterien bei der Entscheidung die wesentlich Rolle spielen, medizinische Gründe vorgeschoben. Dies erfolgt unter Beugung medizinischer Sachverhalte letztlich unter Inkaufnahme von medizinischem Unrecht. Unter fadenscheinigen medizinischen Überlegungen werden so bestimmte Patienten abgelehnt, was letztlich einer bestimmten Form von Rationierung entspricht, die nicht mehr nur auf Grund von reinen, glasklarten medizinischen Kriterien ausgesprochen wird.
2. Parallelität von Über- und Unterdiagnostik
Bei Privatpatienten besteht tendenzielle ine Überdiagnostik statt, besteht bei DRG-relevanten Patienten eine Tendenz zur Unterdiagnostik.
3. Fragmentierung und Fraktionierung der Therapie
Aus ökonomischen Gründen wird der Patient statt einem längeren Aufenthaltsdauer entlassen und ein Teil der Behandlung soll ambulant durchgeführt werden oder er wird wieder aufgenomme, um die zweite Krankheit behandlen zu lassen. Paradox daran ist, dass das Ziel dieser Fraktionierung nicht etwa Kostenersparnis ist, sondern eine Erhöhung der Einnahmen, weil das DRG-System die gleichzeitige Behandlung mehrere Diagnosen systematisch unterfinanziert.
Über diese Fraktionierung der Behandlung hinaus führt die Ökonomisierung der Medizin dazu, dass Ärzte im Zweifelsfall die Behanldungsmethode wählen, die dem Krankenhaus am meisten Geld einbringt sowie optimale Erlöse und nicht zwingend dem Wohl des Patienten dient.
4. Problematik der Krankenhausentlassung
Es ist vielfacht belegt, dass Ärzte und Pflegekräfte sich immer weniger Zeit nehmen können, um die Patienten durch zwischenmenschliche Gespräche, durch Hilfestellungen und Ratschläge so auf die Entlassung vorzubreiten, dass der Überang in den ambulanten Bereich reibungslos verläuft.
5. Handwerklich-technische Qualität vor Beziehungsqualität im Patientenkontakt.
Im konomisches Denken und Handeln eines Systems , das auf Effizienz und Erlösorientierung ausgerichtet ist, erscheint es rational, ein bestimmtes Ziel mit nur minimalem Aufwand zu erreichen. Es wird dabei jedoch nicht nur in den organisatorischen Abläsuren, sondern vor allen Dingen im Arzt-Patienten-Kontakt selbst eingespart. In der modernen Medizin wird nicht darin gespart, dem Patienten notwendige Behandlungen vorzuenthalten, sondern sich vor allem auf handwerklich-technische Aufgaben zu beschränken und alles anderen diesen unterzuordnen.Das Diktat der Ökonomie zwingt so zu einer Minimierung der persönlichen Kontaktzeit mit dem Patienten, die psychosoziale Betreuung wird so betriebswirtschaftlichen Erfordernissen untergeordnet. Der ärztlich-medizische Zugang zum Patienten wird so nahezu komplett ignoriert, wenn Zeitkontigente so vorgegeben sind, dass man dazu angetreiben wird, die Patienten entsprechend "abzuhadeln". Besonders die alten und pflegebedürftigen patienten kommen dabei zu kurz, weil diese mehr Zeit für Eklärungen und Zuwendung brauchen, als die Vorgabe dies zulässt. Die fürsorgende und empathische Beziehung zwischen Artz und Patienten wird dabei durch den Standard der Unpersönlichkeit ersetzt.
6. Strategie der Simplifizierung
Im Rahmen der ökonomischen Strategie wird versucht das Ziel durch Minimierung des Arbeitsaufwandes zu erreichen versucht. Die Komplexität der Patientengeschichte wird dabei vereinfacht und in ein weniger komplexes Schema angepasst. Diese Vereinfachungen werden finanziell entlohnt, aber die eigentliche Qualität der Medizin ist nicht die gekonnte Vereinfachung, sondern die Fähigkeit der Ärzte, sich die Komplexitäten, mit denen sie es zu tun haben, zu vergegenwärtigen. Das Diktat der Aufwandminierung führt neben einer deutlichen Reduzierung des persönlichen Kontaktes zwischen den Ärzten und Patienten zu einer Simplifizierung der ganz spezielleln Situation kranker Menschen. Damit spart die Medizin jedoch am Kern ihrer eigenen Identität, denn die Arzt-Patienten-Beziehung ist ja nicht ein idealisticher Luxus, sondern die eigentliche Grundlage dafür, dass die Therapie beim Patienten überhaupt eine Wirkung entfalten können.
7. Wettbewerbsfähigkeit als Qualitätskriterium.
Durch das strikte ökonomische Kalkül wird der Erlös der Krankenhäuser und einzelner Abteilungen genau miteinander verglichen. Sehr schnell wird so sichtbar, wleche Abteilungen ertragreich und welche weniger ertragreich sind, was zu einem zunehmenden Druck auf die weniger ertragreichen führt, sich den anderen anzupassen, wenn sie nicht dem Rostift zum Opfer fallen wollen Dabei ist jedoch anzumerken, dass Abteilungen nicht etwa weniger wichtig waren oder gar schlechte Arbeit geleistet hätten, sondern dass einzig und allein ihre Patienten weniger ertragreiche Diagnosen hatten. Erhaltenswert wird dabei nicht länger, was einen wertvollen Beitrag zur Versorgung der Patienten leistet, sondern nur noch, was zur finanziellen Konsolidierung beiträgt. Wettbewerb und Konkurrenz sollen so soziale Probleme lösen, wobei in keinster Weise berücksichtigt wird, dass je stärker der Verdrängungswettbewerb, desot größer die Gefahr wird, dass die weniger ertragreichen Patienten die ersten Verlierer sind.
Wenn tatsächlich der Wettbewerb über alles entscheiden soll, gibt es zwangsläufig erwünschte Patienten, das heißt rentable Patienten, die mit ihrer Krankheit eine hohen Erlös einbringen, und unerwünschte Patienten, mit deren Diagnosen man wenig Einkünfte erwirtschaften kann oder die durch großen Aufwand als betriebswirtschaftliches Risko wahrgenommen werden. Es gibt so Patienten, um die man buhlt und Patienten, die man meidet. Aber eine Medizin, die Patienten meidet, kann sich nicht mehr Medizin nennen.
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- CommentTimeJan 14th 2015 bearbeitet
(14.1.2015)
Auswirkungen einer ökonomisierten Medizin (Fortsetzung)
8. Entsolidarisierung von den Schwächsten
Eine gravierende Konsequenz der beschriebenen strukturellen Veränderungen ist es, dass nur die Menschen in diesem auf Rentabilität und Effizienz ausgerichteten System berücksichtigt werden, mit denen man Geld verdienen kann. Alle anderen "Kunden" werden aus dem Zuständigkeitsbereich schlicht ausgeschlossen. Ziel eines öknomisierten sozialen System ist es schon vmo Ansatz her nicht die Integration eines jeden Menschen, sondern die Marginalisierung und mittelbar die Exklusion derjenigen zu betreiben, mit denen man keinen Gewinn generieren kann. Auf diese Weise wir die Rentabilität zu neuen Steuerungsmodell, die sich am Ende gegne die Schwächsten richtet. Denn unter dem Primat der Erlösorientierung und Gewinnmaximierung wrd nicht mehr die Rage leitend sein, wie man die ärztliche Betreuung verbessern kann, snodern vielmehr, wiem man sich der bilanzgefährdenden Patienten am besten entledigen kann. Ein Patient, bei dem man viel "investieren" muss, gilt in diesem System nicht mehr als sozialer Auftrag, dem man sich zu stellen hat, sondern als eine manisfeste Bedrohung der "betrieblichen" Existenz.
Folglich werden genau die Menschen, die der ärztlichen und psychosozialen Hilfe am meisten bedürfen, zuallererst marginalisiert, weil sich der Aufwand mit ihnen nicht rechnet, in einem System, das sich nicht für die soziale Frage zuständig fühlt, sondern für die gute Bilanz.
Politiker glauben,. dass man über die Etablierung ökonomischer Begrifflichkeiten alle Probleme gelöst werden können und man folgich aus Patienten ganz einfach Kunden machen kann. Sie verkaufen diesen neuen Kundenstatus als Slogan der Freiheit für den Patieten. Ein derartiger Umgang mit kranken Menschen stellt jedoch nichts anderes dar als eine subtile Form der Entsolidarisierung von ihnen. Freiheit und Mündigkeit sind in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit dem Rückzug des Sozialen und der Umdefinition des Patienten zum Kunden. Angesichts der Tatsache, dass viele ernsthaft kranke Patienten grundsätzlich auf HIlfe angewiesene Menschen sind, kann in deren akuter Notlage und Lebenskrise das Paradigma des souveränen Kunden wohl kaum ersthaft gelten Denn einem Patienten in Not kann wohl kaum ernsthaft zugeutet werden, auch noch darauf achten zu müssen, nicht untervorteilt, vom Arzt sozusagen hintergangen zu werden, weil dieser sich berechtigt fühlt, zuerst an die Bilanz und nicht an den Patienten zu denken..
Hier zeigt sich einmal mehr ein Grundzug ökonomischen Denkens: Für den Markt lohnt sich die Investition nur dort, wo man damit auch viel ausrichten kann. Der Markt zieht zudem die Versorgung derjenigen Patienten vor, die gut lösbar Probleme haben, wie etwa junge Menschen, die eine unkomplizierte Operation brauchen. Diejenigen, die in schwierigeren Prolemlagen stecken, werden als zu risikoreich eingestuft und somit eher gemiedne und dadurch unterversorgt.
9. Subtile Disziplinierung der Ärzt durch die Kostenträger
Die Ökonomisierung der medizin hat eine merkliche Verschiebung des Kräfteverhältnisses auf den Weg gebracht: Die Kostenträger haben enorm an Steuerungsmacht gewonnen, demgegenüber hat die Entscheidungsmacht des Arztes deutlich eingebüßt. Aber dieser Trend vollzieht sich nicht offen. Die Kostenträger üben ihre Macht nur indirekt aus, und zwar über den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Er schickt stattdessen immer wieder Anfragen, die schriftlich beantwortet werden müssen und oft zeitraubend ausfallen. Ärzte müssen so Rechenschaft üer ihr Handeln ablegen. Diese auwändigen Formalitäten hindern jedoch den medizinischen Ablauf, was jedoch letztlich ja auch Sinn der Sache ist. Denn je aufwändiger die Anfragen sind, desto mehr werden die Ärzte zukünftig darauf achten, solche Anfragen zu vermeiden.
Die Macht der Krankenkassen wird also nicht mittels fester Direktiven durchgesetzt, sondern ganz subtil durch die Drohung von Mehrarbeit. Diese Strategie der Krankenkassen funktionert, wie Studien belegt haben, dass die Ärzte in vorauseilendem Gehorsam alles tun, um Nachfragen des MDK zu vermeiden. So werden sinnvolle Maßnahmen überlassen, wenn nicht klar ist, ob die Krankenkassen diese tatsächlich übernimmt. Die Ärzte werden so sukzessive dazu gebracht, sich weniger für ihre Patienten und für eine patientengerechte und individuelle Behandlung , weil sie Sanktionen in Form von Mehrarbeit befürchten müssen.
10. Innere Umprogrammierung der Ärzte
Zu den schwerwiegendsten Folgen der Ökonomisierung der Medizin zählt allerdings die ideelle Verformung der Ärzte, denn sie wirkt sich auf ihr Selbstverständnis aus und verändert damit die Identiät der Medizin.
11. Sinnentleerung ärztlicher Tätigkeit
Die ökonomische Veranwortung für die Klinik oder auch Praxen wird den Ärzten quasi aufoktroyiert, und trotz des Verinnerlichungsprozesses handeln sie oftmals geradezu fremdbestimmt. Dies schafft viele Dilemmasituationen, die auf Kosten des inneren Friedens der Ärzte gehen. Es ist so der von außen herangetragene Druck, die Drohungen und Sanktionen, die die Ärzte gefügig macht.
Durch die innere Umprogrammierung werden Ärzte dazu gebracht, einer ökonomischen Logik den Vorzug vor der medizinischen Logik zu geben, und einzelne Patienten, wenn es sich eben finanziell nicht rechnet, durchaus schlechter zu stellen, ohne dies jedoch offen zuzugeben. Dies bedeutet, dass der Arzt seine ureigentlich Mission aufgibt für eine ihm aufgezwungene Fremdorientierung. Em Ende wird nicht nur der Patient nicht optimal versorgt sein, sondern der Arzt muss damit fertig werden, nicht professionsgemäß entscheiden zu können und zugleich persönlich dafür geradestehen zu müssen. Viele Ärzte versuchen daher, sich von dieser inneren Bürde zu befreien, dass sie auf die Sachzwänge verweisen. Aber insgeheim spüren sie doch, dass sie mitverantwortlich sind für die Medizin, die prägen und gestalten. Damit sind die Ärzte letztlich doppelte Verlier in dieser durchökonomisierten Zeit. Sie verlieren das Vertrauen ihrer Patienten und zugleich ihren inneren Frieden.
Literatur
Maio: Geschäftsmodell Gesundheit. Wie der Markt die Heilkunst abschafft. Suhrkamp-Verlag 2014
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- CommentTimeFeb 21st 2015 bearbeitet
(21.2.2015)
Krankenhäuser zwischen Medizin und Ökonomie: Die Suche nach dem richtigen Maß
Keine Zeit für Zuwendung
Der Eindruck besteht mittlerweile deutlich und nimmt immer weiter zu, als Patient mit seinen Beschwerden in einer Klinik nicht ernst genommen zu werden, sich allein und hilflos zu fühlen, berichtete die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen Ende Oktober in Dresden. Der Deutsche Ethikrat hatte zur öffentlichen Tagung „Vom Krankenhaus zum kranken Haus?“ ins Deutsche Hygienemuseum geladen. Besonders alte und alleinstehende Menschen äußern z.B. in Beratungsgesprächen bei den Patientenstellen vermehrt Ängste und Sorgen vor erneut notwendigen Krankenhausaufenthalten. Durch Erlebtes ist das Vertrauen in die Institution Krankenhaus bei vielen Patienten erheblich beschädigt worden. Auch von ärztlicher Seite wird diese Sicht mittlerweile durchaus bestätigt „Wir Ärzte sind unter den jetzigen Bedingungen gezwungen, unseren Patienten eine ganz wichtige Ressource in der Arzt-Patienten-Beziehung vorzuenthalten – und das ist die Zeit“, „Zulasten einer empathischen Arzt-Patienten-Beziehung droht der Patient zum Werkstück in einem industriellen Prozess zu werden“.
Falsche Anreize
Doch nicht nur, dass der Klinikalltag für Zuwendung zum Patienten derzeit kaum Zeit lässt und es dadurch zur Unterversorgung kommt. Schlimmer noch: Im Raum steht der Verdacht, in den Kliniken würde mehr operiert als notwendig. Monetäre Anreize motivierten die Ärztinnen und Ärzte, mehr und höhere Fallpauschalen abzurechnen.
Belege dafür, dass eine solche ökonomisch motivierte Überversorgung Realität in deutschen Krankenhäusern ist, lieferte kürzlich die Studie „Umgang mit Mittelknappheit im Krankenhaus“ des Lehrstuhls für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen von Prof. Dr. med. rer. pol. Jürgen Wasem. 39 Prozent der an der Untersuchung teilnehmenden 1 432 Chefärzte gaben an, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in ihrem Fachgebiet zu überhöhten Eingriffszahlen führten. In der Kardiologie waren es sogar 61 Prozent, bei den Orthopäden und Unfallchirurgen knapp 50 Prozent. 70 Prozent der Chefärzte waren allgemein der Ansicht, dass sich die Mittelknappheit im Krankenhaus negativ auf die Patientenversorgung auswirkt.
„Wie fühlt man sich als Arzt, wenn man einen Patienten einer Operation unterzieht, die mit Risiken verbunden ist, ohne dass man das eigentlich müsste?“...
Klar ist, dass der Arzt immer einen gewissen Interpretationsspielraum hat, wenn er sich für oder gegen eine Operation entscheidet. Es gibt dabei einen sog. „Indikationskorridor“ des Arztes. Als Beispiel: ein 82-jähriger Patient mit einer asymptomatischen Leistenhernie und mäßiger Komorbidität, vom Hausarzt zur Operation ins Krankenhaus geschickt. Der Arzt kann eine Operationsindikation vertreten, er kann aber auch erst einmal zuwarten. Mittlerweile kann immer häufiger beobachtet werden, dass aus wirtschaftlichen Gründen in den operativen Fächern die Bereitschaft deutlich erhöht ist, solche Korridore der Indikationsstellung zugunsten einer Mengenerhöhung auszuschöpfen.“
Ärzte und Pflegekräfte müssen in den Krankenhäusern täglich Entscheidungen treffen, bei denen sie zwischen medizinischen und ökonomischen Argumenten abzuwägen haben. Das verursacht emotionalen Stress, wie das Positionspapier „Medizin und Ökonomie – wie weiter?“ der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften aufzeigt. Ein Fazit darin: „Ärzte und Pflegende erleben in ihrem Alltag, dass sie entweder im Sinne ökonomischer Interessen – ihres Arbeitgebers oder ihrer eigenen – oder im Sinne des Patienten agieren können. Damit geraten sie in einen Interessenkonflikt.“
Je mehr die Ökonomie ihre Funktion als Ermöglichungsbedingung von Medizin aufgibt und zunehmend zur Steuerungsinstanz nicht nur der Abläufe, sondern auch der Prioritäten in der Medizin mutiert, desto mehr verliere die Medizin ihren sozialen Charakter. Die Medizin ziehe sich zunehmend auf eine formalistische Korrektheit zurück und biete nur noch Verfahren an, die auch rentabel seien. Die Patienten werden dann nicht mehr als leidende Menschen wahrgenommen, sondern sie werden zu Konsumenten umdefiniert, die dazu da sind, dass man sich ihre Krankheit zunutze macht, um gute Zahlen zu generieren. Eine solche sukzessive Umwertung der Medizin könne weder im Sinne der kranken Menschen noch im Sinne der Heilberufe sein. Den Ärzten und Pflegenden wird jeden Tag ein schlechtes Gewissen gemacht.
Schleichende Ökonomisierung
Doch wie konnte es so weit kommen? Wann wurde aus der sozialen Einrichtung Krankenhaus das Wirtschaftsunternehmen Krankenhaus? Es greift wohl zu kurz, die aktuellen Probleme der Krankenhausversorgung in Deutschland allein auf die Einführung des DRG-Systems vor gut zehn Jahren zurückzuführen. Vielmehr ist bereits seit den 80er Jahren ein zunehmender Einfluss marktwirtschaftlich orientierter Gesundheitsökonomen auf die Krankenhauspolitik der wechselnden Bundesregierungen zu beobachten. In einem Grundsatzdokument des Bundesarbeitsministeriums aus dem Jahr 1989, das damals noch für die Gesundheitspolitik zuständig war, fielen erstmals Stichwörter wie „schrittweise Weiterentwicklung zu einem Preissystem“, „interne Budgetierung“, „interne Wirtschaftlichkeitsanreize“, „Einbeziehung der Chefärzte in die Budgetverantwortung“ oder auch „erfolgsabhängige Chefarztverträge“. Dieser Abkehr vom Postulat der Daseinsvorsorge als oberstem Prinzip der Krankenhauspolitik ist man dann bis heute Treu geblieben. Die Folge ist eine schleichende Ökonomisierung der Arbeitsbedingungen sowie ein Vordringen ökonomischer Denkweisen und Kalküle in zuvor nicht durch ökonomische Orientierungen geprägte Bereiche.
Es schleicht sich nach und nach ein Denken ein, das die medizinische Logik auf den Kopf zu stellen droht. Diese Umorientierung des Denkens vollziehe sich fast unmerklich im Bewusstsein der Heilberufe. Je mehr die Medizin in Rentabilitätskalkülen zu denken lernt, desto mehr wird sie sich zuallererst von den Schwächsten verabschieden.
Enormer Kostendruck
Wird fortgesetzt...
Literatur
Flintrop: Krankenhäuser zwischen Medizin und Ökonomie: Die Suche nach dem richtigen Maß.Dtsch Arztebl 111, C-1581-1583 (2014)F
http://www.pallnetz.ch/p129002022.html
http://www.pallnetz.ch/cm_data/SAMW_Comms_MedOekonomie_14_D-fweb.pdf
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- CommentTimeApr 17th 2015
(17.4.2015)
Falsches Spiel der Politik.
Die Politik verhindert die Ökonomisierung der Medizin nicht, sondern fördert diese vielmehr noch, zum massiven Nachteil von ernsthaft kranken Patienten. Die Wettbewerbsfähigkeit der Krankenhäuser steht mehr als offensichtlich über dem Sozialstaatsprinzip und einer menschwürdigen Medizin.
Ein gutes Urteil für die Bürger, insbesondere in strukturschwachen Gebieten: Städte und Kreise dürfen ihre defizitären Krankenhäuser auch weiterhin bezuschussen und Verluste ausgleichen. In einem Musterverfahren wies das Oberlandesgericht Stuttgart eine Klage des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken gegen den Landkreis Calw in zweiter Instanz ab (Az.: 2 U 11/14). Der Landkreis hatte 2012 Verluste der Kreiskliniken Calw und Nagold in Höhe von rund sechs Millionen Euro sowie Ausfallbürgschaften für Investitionen übernommen. Der Verband argumentiert, ein solcher Ausgleich von Defiziten durch Steuergelder sei ein inakzeptabler Wettbewerbsnachteil für die privaten Träger, die staatlichen Beihilfen stellten einen Verstoß gegen die Regeln des EU-Binnenmarkts dar.
Es geht um die wichtige Frage, ob Krankenhäuser als kommerzielle Wirtschaftsbetriebe dem Wettbewerbsrecht in der Europäischen Union unterliegen oder als Teil der Daseinsvorsorge des Staates eben nichm deutschen DRG-System werden die Krankenhäuser einerseits wie kommerzielle Wirtschaftsbetriebe behandelt. Denn zu den Zielen, die die Politik mit der Einführung des Abrechnungssystems nach diagnoseorientierten Fallpauschalen verband, zählte ausdrücklich auch eine Strukturbereinigung der Krankenhauslandschaft – also die Schließung von Krankenhäusern.
Andererseits lässt sich aus dem im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzip ein Anspruch der Bevölkerung darauf ableiten, dass der Staat die für ein menschenwürdiges Dasein als notwendig erachteten Güter und Leistungen bereitstellt – die sogenannte Daseinsvorsorge. Dazu gehört eben auch, dass die Träger kommunaler Krankenhäuser rund um die Uhr eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige stationäre Grund- und Regelversorgung sicherstellen. Auch defizitäre Krankenhäuser haben demnach eine Daseinsberechtigung, wenn das Land sie über den Krankenhausplan als versorgungsnotwendig eingestuft hat.
Die Richter des Oberlandesgerichts Stuttgart haben sich festgelegt: Staatliche Beihilfen für kommunale Krankenhäuser fallen nicht unter das EU-Wettbewerbsrecht, weil Krankenhäuser mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind“, die laut EU-Vertrag explizit ausgenommen sind. Solche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge zu definieren, liegt in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Durch die Aufnahme der Kreiskliniken in den Krankenhausplan legitimiert das Land Baden-Württemberg also quasi die Subventionen des Landkreises Calw.
Konsequent zu Ende gedacht hat damit in Deutschland jede Klinik, die über den Krankenhausplan eines Bundeslandes einen Versorgungsauftrag zugewiesen bekommt, eine Daseinsberechtigung. Will die Politik also die Krankenhauslandschaft „bereinigen“, so darf sie dafür nicht länger das DRG-System beziehungsweise den Markt missbrauchen. Vielmehr muss sie den Mut aufbringen, die stationäre Versorgung im Land über die Krankenhauspläne zu steuern.
Das Grundrecht auf eine adäquate Krankenhausversorgung sollte auch der Bundesgerichtshof als nächste Gerichtsinstanz doch doch wohl klarstellen - man darf zumindest gespannt sein!
Literatur
Flintrop: Da sein geht vor. Deutsches Ärzteblatt 48, C 1693 (2014)
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