Suchbegriffe zu diesem Artikel: Medikamentenallergene
Muskelrelaxanzien, zentrale
Medikamentenallergene
Depolarisierende M.
Nichtdepolarisierende M.
- Alcuronium
- Atracurium
- Cisatracurium
- Doxacurium
- Gallamin
- Mivacurium
- Pancuronium
- Pipecuronium
- Rocuronium
- Tubocurarin
Allergologische Relevanz
Bei Überempfindlichkeitsreaktionen auf Narkotika sind die Reaktionen auf Muskelrelaxanzien mit Abstand die häufigste Ursache. Klinisch können eine allergische/pseudoallergische Reaktion, eine verlängerte Muskelrelaxierung (meist aufgrund einer genetischen oder medikamentösen Hemmung der Cholinesterase) und eine sog. maligne Hyperthermie auftreten. Allergische Reaktionen bei Allgemeinnarkosen sind in 70 % durch Muskelrelaxanzien bedingt. Leichtere Reaktionen finden sich bei etwa 1 % der Exponierten. Meist entgehen sie allerdings bei der komplizierten Situation (Grundleiden, sonstige Medikation) der Aufmerksamkeit.
Zu bedrohlichen Reaktionen kommt es in 1 : 600 - 1 : 20.000 Anästhesien. Muskelrelaxantien sind in Abhängigkeit von der Substanz und der Dosis potente Histaminliberatoren, dies kann in Flush, kardiovaskulären Symptomen und anaphylaktoiden Reaktionen resultieren. Jedoch konnte durch neuere Untersuchungen gezeigt werden, dass IgE-vermittelte Mechanismen als Auslöser der Überempfindlichkeitsreaktionen dominieren. Die Antikörper sind vor allem gegen die tertiäre bzw. quarternäre Ammoniumstruktur gerichtet. Diese liegen bei den Muskelrelaxantien als sogenannte ”Spiegel-Moleküle” in zweifacher Form vor. Die antigenen Gruppen liegen zudem im idealen Abstand von mindestens 6 A vor und sind damit besonders gut zur Brückenbildung zwischen IgE-Molekülen und damit zur Mastzelldegranulation mit Ausschüttung von Histamin und anderen Mediatoren geeignet. Die Muskelrelaxanzien mit steroidalem Charakter (Pancuronium, Vecuronium) sind darüber hinaus vermutlich potente Inhibitoren der Histamin-N-Methyltransferase, ein Histamin abbauendes Enzym, womit die Verstärkung einer Histaminwirkung denkbar ist.
Etwa die Hälfte der Zwischenfälle gehen auf Suxamethonium zurück, gefolgt von Vecuronium, das in letzter Zeit immer häufiger als Ursache angeschuldigt wird.
Sensibilisierungen auf Muskelrelaxanzien sind auch ohne vorherigen Exposition während einer Narkose möglich, da sich eine quarternäre Stickstoffverbindung auch in Kosmetika und Haushaltsmitteln (quarternäre Amine, z.B. Benzalkoniumchlorid, Gallate) finden. Dies ist wohl auch die Erklärung dafür, dass Frauen in der 4. Lebensdekade ein erhöhtes Risiko besitzen, eine Überempfindlichkeitsreaktion als Narkosezwischenfall zu entwickeln.
Kreuzreaktionen zwischen den Präparaten sind häufig, lassen sich für jede beliebige Kombination von Präparaten nachweisen und sind v.a. auf die quarternäre Ammoniumgruppe zurückführen. Drei Reaktionstypen lassen sich dabei unterscheiden:
- Reaktionen mit allen relevanten Verbindungen
- Reaktionen mit allen Verbindungen, jedoch mit deutlichen Unterschieden
- Reaktionen mit einer oder einzelnen Verbindung (Bedeutung der Ammoniumumgebung)
Diagnostik
Etwa 85 % der sensibilisierten Patienten zeigen positive Teste auf 2 Präparate und weitere 10 % auf alle Muskelrelaxanzien gleichzeitig. Tritt bei der Testung bei 1 oder nur 2 verschiedenen Muskelrelaxanzien eine positive Reaktion auf, so sollten die übrigen, negativ getesteten Präparate sicher anzuwenden sein. Sind aber mehrere Testungen positiv, so können auch bei Verwendung der übrigen, negativ getesteten Präparate, leicht Überempfindlichkeitsreaktionen vorkommen. Daher sollten grundsätzlich immer alle Muskelrelaxanzien bei der diagnostischen Abklärung mitgetestet werden. Zur Diagnostik siehe ansonsten unter ”Narkotika”.
Therapie
Bezüglich aller Unverträglichkeitsreaktionen sollte Pancuronium als das sicherste unter den Substanzen dieser Gruppe angesehen werden.
Literatur: 7, 8, 9, 12
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