Alles zur Allergologie
Darstellung von ca. 7000 potentiellen Allergenen
nicht eingeloggt (Einloggen)

Allergologie Allergie Forum

Vanilla 1.1.4 Forum von Lussumo. Weitere Informationen: Dokumentation, Community.

Herzlich willkommen!

Möchten Sie an einer Diskussion teilnehmen? Hier geht es zur Anmeldung >>.

Haben Sie noch keinen Account zu diesem Forum? Hier können Sie sich registrieren >>.

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 4th 2015 bearbeitet
     

    (3.6.2015) In einem aktuellen Interview, das Harald Schumann mit einem griechischen Kollegen führte, kann man ganz umfänglich nachlesen, welche Folgen eine geradezu unsägliche und unmenschliche Austeritätspolitik von Merkel, Schäuble und zahlreichen weiteren Beteiligen im griechischen Gesundheitssystem mit drastischen Folgen für die Bevölkerung derzeitig anrichtet.

    (Tagesspiegel vom 2.6.2015) „Wer kein Geld hat, der stirbt“

    Griechenland muss sparen, und das sieht so aus: Krebskranke bleiben ohne Hilfe, Polio kehrt zurück, Diabetiker erblinden. Georgis Vichas berichtet aus der Praxis...

    Ich arbeite seit vielen Jahren in einem öffentlichen Krankenhaus, und so sah ich im Frühjahr 2011 die Folgen, als die Menschen plötzlich zu Hunderttaussenden ihren Job und damit auch ihre Krankenversicherung verloren...Die Hälfte aller Ärzte in den öffentlichen Krankenhäusern und Ambulatorien wurde entlassen. Gleichzeitig verlor rund ein Viertel der Bevölkerung mit den Jobs auch ihre Krankenversicherung. Und selbst jene, die noch Löhne oder Renten bekamen, haben oft so wenig, dass sie die hohen Zuzahlungen für die Medikamente oder Behandlungen nicht zahlen können.

    ---Was heißt das praktisch, wenn jemand nicht mehr versichert ist?

    Stellen Sie sich vor, Sie werden krank und müssen wegen einer Operation oder Behandlung ins Krankenhaus. Dann bekommen Sie eine Rechnung über ein paar tausend Euro. Und wenn Sie nicht bezahlen, dann rechnet Ihnen das Finanzamt das als Schulden gegenüber dem Staat an, und die Beamten eröffnen ein Verfahren gegen Sie, mit dem sie Ihr Haus oder Ihre Rente pfänden oder Sie sogar ins Gefängnis werfen lassen können....Die Drohung ist jedoch real und hat schlimme Folgen: Die Menschen vermeiden jede Behandlung, solange sie nur können, und machen damit ihre Krankheit häufig viel schwerer, als sie sein müsste.

    ---In Griechenland sterben Menschen, nur weil sie nicht mehr versichert sind?

    Ja, so ist das. Nur wird das von keiner Statistik erfasst. Doch wir haben es in unserer Praxis erfahren....

    ---Gibt es Krankheiten, die typisch für die Krise sind?

    Aids, Tuberkulose und Hepatitis. Die Infizierten sind oft gerade die Armen, die sich keine Behandlung leisten können. Darum stecken sie weitere an, und die Infektionen breiten sich aus. Hart trifft es auch Diabetiker, die ihre Diät nicht halten können oder nicht genügend Insulin bekommen, ihnen drohen Blindheit oder Amputationen. Und viel häufiger als früher sehen wir unterernährte Mütter, Babys und Kinder. Das wird viele Kinder für ihr ganzes Leben schädigen.

    ---Wenn das stimmt, dann sind die Kürzungen selbst gemessen an rein ökonomischen Kriterien völlig unsinnig.

    Das ist ja das Absurde. Diese Sparmaßnahmen werden die griechische Volkswirtschaft am Ende mehr kosten, als sie der Staatskasse insgesamt einbringen. Allein was bei den Diabetikern in den drei Jahren nach 2010 gespart wurde, wird künftig 200 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten verursachen. Das wurde in einer Studie genau vorgerechnet.

    ---Hat das die Verantwortlichen nicht ins Grübeln gebracht?

    Hören Sie, wir hatten hier bis August vergangenen Jahres einen Gesundheitsminister, der hat sogar verfügt, dass die Krankenhäuser den Müttern ihre neugeborenen Babys nicht geben, bis sie ihre Rechnung bezahlt haben. Den interessierte das nicht! ... Das ist tatsächlich geschehen, sechs Monate lang wurde das in den öffentlichen Kliniken praktiziert. Und noch schlimmer ist, dass sogar bei den Impfungen gespart wird...

    ---Es gab gute Gründe, das alte System gründlich zu reformieren. Schließlich war es hochgradig verschwenderisch und korrupt.

    Sicher, Reformen waren dringend nötig, es wurde jedoch nicht reformiert, das ganze System wurde zerstört. Man hätte die Ärzte und Praxen besser im Land verteilen müssen, man hätte den Einkauf von Medikamenten billiger machen und den Einfluss der Pharmafirmen zurückdrängen müssen. Und natürlich musste die Korruption bekämpft werden. Das ist alles nicht geschehen, sondern es kam einfach nur zu Kürzungen und Entlassungen.

    ---Aber war das die Schuld der Gläubiger aus Deutschland und der Eurozone? Die Verantwortung dafür liegt doch vielmehr bei der früheren griechischen Regierung aus Konservativen und Sozialdemokraten.

    Formal liegt die Hauptverantwortung sicher bei den früheren griechischen Regierungen. Und die Beamten der Troika werden das auch immer so sagen. Nur, wenn Sie die Memoranda und Berichte der Troika lesen, dann sehen Sie, dass sie dieses brutale Programm bis ins Detail geplant hat.

    ---Warum sollten unbeteiligte Beamte aus Brüssel oder Washington so etwas wollen, wenn es gar nichts bringt?

    Das habe ich mich auch oft gefragt. Warum erzwingen sie eine so radikale Ausgabenkürzung, obwohl es doch nur zu noch mehr Schulden führt? Am Ende blieb nur eine Erklärung übrig: Hier ging es darum, eine Ideologie umzusetzen, die sagt: Wer Geld hat, darf leben, wer keines hat, stirbt.

    ---Die neue Linksregierung hat versprochen, diese humanitäre Notlage zu bekämpfen. Hat sich die Lage seit deren Amtsantritt im Februar nicht gebessert?

    Na ja, wenn ein Wagen mit Vollgas bergab fährt, und man wechselt den Fahrer, dann ist die Fahrt in den Abgrund noch lange nicht vorbei. Immerhin gibt es jetzt Nahrungsmittelgutscheine und Strom für die ganz Armen. Die neue Regierung hat außerdem ein Gesetz verabschiedet, wonach auch die Nichtversicherten Zugang zu den öffentlichen Kliniken haben. Praktisch ist das allerdings noch keine wirkliche Hilfe, weil das öffentliche System mangels Personal und Ausrüstung völlig überfordert ist.

    ---Es fehlen Ärzte und Pfleger.

    Ja, sicher. 4000 Ärzte sind ins Ausland gegangen, davon 2500 nach Deutschland. Und selbst wenn die Menschen einen Termin bekommen, heißt es nicht, dass ihnen auch geholfen wird. Oft fehlen die nötigen Geräte, oder die Medikamente sind unbezahlbar teuer....

    Literatur

    http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/ein-griechischer-arzt-berichtet-wer-kein-geld-hat-der-stirbt/11844930.html?utm_referrer=

    • CommentAuthorLehema
    • CommentTimeJun 9th 2015
     

    Es sind schreckliche Zustände und die Politiker in diesem Land haben über mehrere Dekaden verpasst, das Land auf einem wirtschaftlich stabilen Niveau zu bringen. Lug, Betrug und gefälschte Tatsachen haben Griechenland in die EU gebracht und diese suche lieber die Schuld bei anderen Ländern.

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 11th 2015 bearbeitet
     

    (10.6.2015) Grandios gescheitert!

    Die Merkelsche Austeritätspolitik ist in Griechenland geradezu grandios gescheitert und hat zu einem wirtschaftlichen Absturz des Landes geführt, zu Massenarbeitslosigkeit und zu einer humanitären sozialen Katastrophe. Und es wird von den Gläubigern und den diesbezüglich politischen Verantwortungsträgern immer noch von "Reformen" gefaselt, wie etwas von weiteren Kürzungen bei den Löhnen und des Sozialstaates wie bei den Renten, wo der eh doch schon ganz eindeutig am Boden liegt und zu einer humanitär geradezu unerträglichen Krise geführt hat. Wenn dies die tatsächliche europäische Idee, deren humanitärer Gedanke, Wertvorstellungen und Moral sein soll, dann darf man doch wohl ziemlich berechtigt ziemlich schwarz sehen.

    Friedericke Spiecker hat dazu vor wenigen Tagen die richtigen Frage gestellt...

    (flassbeck-oeconics vom 4.6.2015) Die EWU in der Sackgasse: Was kann wer noch tun, damit es nicht knallt?

    Was sollen die Verantwortlichen tun? Die griechische Regierung hat kaum noch Handlungsoptionen. Sie kann einer erneuten Kürzung der Renten und Löhne (worauf die Sanierungsvorstellungen der Gläubiger im Wesentlichen hinauslaufen) nicht zustimmen. Und zwar nicht nur, weil sie dafür kein Mandat der Mehrheit der Wähler hat,, die das bedeuten würde, nicht zulasse sondern vor allem, weil sie die Verschärfung der humanitären Krise... nicht zulassen will. Griechenland hat den Versuch schon hinter sich, durch Lohn- und Rentenkürzungen eine starke interne Abwertung zustande zu bringen, damit seine internationale Wettbewerbsfähigkeit so steigt, dass ihm die Auslandsnachfrage aus der binnenwirtschaftlichen Misere heraushilft. Dieser Versuch ist eindeutig fehlgeschlagen, und zwar nicht, weil er nicht intensiv genug unternommen wurde – kein anderes „Krisenland” hat eine stärkere Lohnstückkostensenkung bewerkstelligt, selbst die OECD attestiert Griechenland höchste Reformfähigkeit..., sondern weil er gar nicht funktionieren kann..

    Es ist also mehr als verständlich, dass sich die griechische Regierung weigert, auf diesem Weg weiter in die Irre zu gehen, nur um nach erneutem Scheitern und Verschlimmerung der Situation der Bevölkerung von den Gläubigern zu hören, es sei noch nicht genug reformiert worden oder es sei ja überhaupt nichts passiert in Sachen Reformen (wie das einige deutsche Politiker auch jetzt entgegen der Faktenlage behaupten).

    Wie sieht es mit den anderen Akteuren in diesem Drama aus? Die deutsche Regierung hat sich auf Sanierungsforderungen versteift...

    Und wenn dann auch noch selbst ein ansonsten streng Mainstream-konformer Wolfgang Münchau derartig kommentiert, darf man sich doch schon etwas bestätigt fühlen...

    (SPON vom 8.6.2015)  Merkels großer historischer Fehler war ihre Unfähigkeit, die Krise im Euroraum als eine Chance zur politischen Vertiefung zu begreifen, und stattdessen auf unrealistische Regeln und Verträge zu pochen...

    Merkels zweiter Fehler war ihr Beharren auf einer Sparpolitik, die Griechenland in eine fünf Jahre andauernde Rezession stürzte. Wir wissen aus der Wirtschaftsgeschichte, was mit Ländern passiert, die in eine Rezession hineinsparen. Nämlich genau das, was den Griechen passiert ist.

    Jetzt verlangen die Geldgeber weitere Einsparungen. Das ist in der Tat absurd und irrational, wie Tsipras das seinem Parlament erklärte. In diesem Punkt hat er recht....

    Es scheint jedenfalls mittlerweile mehr als offensichtlich so zu sein, dass es gar nicht mehr darum geht, die humanitäre und ökonomische Katastrophe in Griechenland zu beenden, das Land wirtschaftlich zu stabilisieren und den Bürgern Griechenlands eine Zukunftsperspektive zu geben. Über die Gründe kann und darf man spekulieren, auf die Folgen und Konsequenzen äußerst gepannt sein...

    Literatur

    http://www.flassbeck-economics.de/die-ewu-in-der-sackgasse-was-kann-wer-noch-tun-damit-es-nicht-knallt/

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/spd-und-eurokrise-wie-die-sozialdemokraten-merkel-stuetzen-a-1037711.html

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 16th 2015
     

    (16.6.2015) Die Lügenmärchen der deutschen Politik

    Schön zu erleben, wie von den Mainstream-Medien bis hin zu den alternativen Medien die fortgesetzten Lügenmärchen der deutschen Politik und die Lebenslüge und das geradezu grandiose Scheitern einer Angela Merkel jetzt doch noch aufgedeckt und offenbart werden. So äußert sich Wolfgang Münchau, der ansonsten ja stramm auf der Mainstream-Linie liegt, ganz eindeutig...Wie Peter Hart ganz richtig konstatiert, ist dabei das ganze große Problem, dass sich weder Politiker, noch Finanzexperten, noch Journalisten trauen die "traurige" Wahrheit auszusprechen.

    (SPON von 15.6.2015) Griechenland-Krise: Der Schuldenschnitt kommt in jedem Fall

    Gebärden sich die Griechen bei den Verhandlungen mit ihren Gläubigern als rücksichtslose Zocker? Nein, im Gegenteil, sie argumentieren bewundernswert stringent: Ohne Schuldenschnitt kann es keine sinnvolle Einigung geben...

    Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie tief diese Lebenslüge in der deutschen Gesellschaft verankert ist. Es wundert mich nicht, dass Angela Merkel in den Jahren 2010 und 2012 die Griechenland-krise mit unrealistischen Auflagen unter den Teppich kehrte.  Erstaunlicher ist, dass ihr heutiger Regierungspartner, die SPD, dem nichts entgegensetzte. Merkel hat sich mit dem Griechenland-Kredit verzockt, und keiner sagt etwas....

    Wenn Merkel die Griechen wirklich im Euro halten will, dann muss sie genau das tun. Sie wird damit zugeben müssen, dass ihre bisherige Euro-Rettungspolitik gescheitert ist....

    Was erklärt diese Irrationalität? Aus meiner Sicht sind es die Lügenmärchen, die wir uns seit Jahren immer wieder erzählen: dass der Euro so stark ist wie die Mark, dass eine Währungsunion auch ohne einen gemeinsamen Haushalt funktionieren kann und dass die Griechen ihre Kredite zurückzahlen. Wir hängen jetzt im Netz unserer eigenen Märchen fest.

    Die eine Wahrheit ist, dass die Währungsunion zerbricht oder eine Fiskalunion erzwingt. Die andere Wahrheit ist, dass die Griechen pleite sind. Und eine dritte Wahrheit ist, dass der Schuldenschnitt kommt, so oder so.

    Oder auch Peter Harth...

    (Kopp-Verlag vom 15.6.2015) Grexit – Merkels endlose Bild-Lüge

    Kollektiver Gedächtnisschwund und das ewige Merkeln

    ...Und jetzt, 2015? Stillstand und Déjà-vu – das ewige Merkeln. Bei der Kanzlerfrage hat sich nichts getan, genauso wenig beim Grexit oder bei der Bild. Trotzdem bringt das Blatt eine aufsehenerregende Neuigkeit....

    Besonders idiotische Lügen-Dauerschleife

    Dass sich die Bild regelmäßig selber widerspricht, ist weder schlimm noch überraschend. Schließlich übersetzen sich viele Deutsche die vier großen Buchstaben nur noch so: Besonders idiotische Lügen-Dauerschleife. Dafür nehmen aber gerade andere Journalisten diese Zeitung zu ernst – mit unschönen Folgen. Ihre Panikmache, Volksverdummung und Gehirnwäsche verbreitet sich wie ein Virus, der auch Menschen infiziert, die aus gesundheitlichen Gründen eigentlich Bild-Schlagzeilen meiden wollen....

    Nur ein einziges Mal die Wahrheit

    Stellen Sie sich vor, die BILD schreibt nur ein einziges Mal die Wahrheit. Was würde über Griechenland und den Euro drinstehen? »Wie es weitergeht? Wir haben keine Ahnung. Weder die Kanzlerin, noch wir Journalisten, noch die Finanzexperten, niemand. Sorry, so etwas war noch nie da. Ist aus dem Ruder gelaufen. Wir können uns nur durchwursteln und den Schaden begrenzen. Hoffen und beten hat bisher nichts gebracht.«

    Das ist eine Krise, die letztendlich von allen ihren Preis fordert. Niemand in Deutschland – dem Land, in dem Scheitern verboten ist – unterschreibt aber freiwillig die eigene Bankrotterklärung. Eine Kanzlerin nicht, die Probleme lieber verschleppt oder wegplaudert. Journalisten auch nicht. Schließlich ist ihre Kernkompetenz die Besserwisserei. Dafür werden sie gelesen, bezahlt und beachtet. Nicht dafür, dass sie in einer Krise ohne Ausweg ahnungslos sind. Das verkauft sich nicht gut.

    Dann doch lieber der Grexit aus der Recycling-Tonne. Eine vier Jahre alte Lüge, die immer wieder neu aufgelegt wird. Das ist immer noch besser als die hässliche Wahrheit.

    Literatur

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-varoufakis-sagt-wahrheit-ueber-schuldenschnitt-a-1038814.html

    http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/peter-harth/grexit-merkels-endlose-bild-luege.html

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 17th 2015
     

    (17.6.2015) Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht für alle Menschen

    Weitere deutsche Ärzte fordern die sofortige Einstellung dieser vollständig unsäglichen und inhumanen Austeritätspolitik von Merkel und Schäuble mit den dramatischen und katastrophalen für das griechische Gesundheitssystem...

    (IPPNW vom 16.6.2015)  Deutsche Ärzte-Delegation fordert Stopp der drastischen Sparpolitik

    Deutsche Ärzte und Ärztinnen fordern die Bundesregierung auf, die Austeritätspolitik zu stoppen. Der griechischen Regierung soll die Möglichkeit gegeben werden, der humanitären Katastrophe in ihrem Land zu begegnen.... Die 25 Mitglieder des vdää und der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung) waren schockiert über das Ausmaß der humanitären Krise in Griechenland: Sparpolitik und die darauf folgende grassierende Arbeitslosigkeit haben jeden dritten Griechen aus der Krankenversicherung ausgeschlossen.

    Im Gesundheitswesen herrscht ein eklatanter Personalmangel, da aufgrund der Austeritätspolitik kein Fachpersonal eingestellt werden kann. Die absurden Folgen des Sparzwangs waren beim Besuch des General Hospital of Athens "G. Gennimatas" nicht zu übersehen: Patienten mit unterschiedlichsten psychiatrischen Diagnosen mussten auf dem Flur nächtigen, während das neue Stockwerk direkt über der überfüllten Station leer steht. Die Möblierung könne nicht bezahlt und das zur Versorgung der PatientInnen notwendige Personal nicht eingestellt werden, so Dr. Diallina, die Chefärztin der Abteilung.

    Für die mehr als drei Millionen Menschen in Griechenland ohne Krankenversicherung sind lebensnotwendige Medikamente wie z.B. Insulin oder Krebsmittel nicht mehr erschwinglich. Steigende Säuglingssterblichkeit, steigende Zahlen von HIV, Tuberkulose, erste Malariafälle und ein drastischer Anstieg von schweren Depressionen sind die Folge. Wegen der gestiegenen Arbeitslosigkeit und der Armut werden immer mehr Menschen obdachlos. Dass die Troika die schwere Krise des Gesundheits- und Sozialsystems völlig ausblendet, können die Ärztinnen und Ärzte nur als menschenverachtend bewerten.

    „Gesundheits-, Bildungs- und Sozialpolitik müssen vor Schuldendienst stehen, deshalb fordern wir den Stopp der maßgeblich von der deutschen Regierung voran getriebenen tödlichen Austeritätspolitik”, so Dr. Wulf Dietrich, Vorsitzender des vdää.

    „Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht, das gilt für alle Menschen”, so die Ärztin und Europäische IPPNW-Präsdentin Dr. Angelika Claußen.

    Literatur

    http://www.ippnw.de/startseite/artikel/f9c2b2b3d8d52fa31e9a179abf84a405/deutsche-aerzte-delegation-fordert-s.html


    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 20th 2015 bearbeitet
     

    (19.6.2015) Die unerträgliche Verlogenheit der deutschen Politiker und der deutschen Mainstream-Medien.

    Doch zumindest gibt es dann doch noch kleine Lichter der Hoffnung, mit denen man so gar nicht gerechnet hat. Man mag es zwar kaum glauben, aber es geschehen anscheinend doch noch gelegentliche Wunder...

    Nach all der Hetze, Bashing und Propaganda von deutschen Politikern und deutschen Journalisten gegen Griechen und griechische Politiker, dass man den schon beinahe vollständig jeglichsten Glauben an jeglichsten Anstand und Glaubwürdigkeit verlieren konnte, gibt es dann doch ausgerechnet von SPON einen klärenden Beitrag. Offensichtlich hat hier doch die Auswechslung der Chefredaktion positive Auswirkungen...

    Und es wird dabei ganz deutlich klargestellt, dass die griechischen Renten ein deutsches Sozialsystem ersetzen, das es in Griechenland so derartig überhaupt nicht gibt und dieser Umstand überhaupt erst begründet, wieso arbeitslose Griechen überhaupt derartig früh in die Rente gehen. Leider konnte man über diesen Umstand in der bisherigen Anschuldigungsdikussion bisher so rein gar nicht lesen oder hören. Sondern die ganz einhellige Meinung, weitgehend unwidersprochene und stetig gebetsmühlenartig wiederholte Meinung von Bild bis Bosbach und Konsorten war doch bisher: die Griechen sind faul, unzuverlässig und gierig!

    (SPON vom 18.6.2015) Schuldenstreit: Die Mär vom griechischen Luxusrentner

    Ist es denn zu glauben? Da steht ein Land vor dem Bankrott. Doch statt die Hilfe der starken Partner (und deren Bedingungen) dankbar anzunehmen, will es nicht einmal die krassesten Auswüchse sozialer Wohltaten kappen. Und so verabschieden sich seine Einwohner weiter von Mitte 50 an in die üppig ausgestattete Rente. Die braven Bürger der Partnerländer hingegen müssen sich noch fast zehn weitere Jahre schinden - um jene Steuern zu erwirtschaften, die dann ins Pleiteland transferiert und an dessen Luxusrentner ausbezahlt werden.

    Ungefähr so geht die Erzählung, mit der deutsche Medien und Politiker die dramatischen Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Geldgebern begleiten: "Bild" und "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitierten vergangene Woche eine Statistik, wonach die Griechen im Schnitt mit 56 Jahren in Rente gehen, die Deutschen hingegen mit 64.

    Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach sprach bei "Günther Jauch" vor fünf Millionen Zuschauern: "Der griechische Ministerpräsident hat jetzt angeboten, das reale Renteneintrittsalter in Griechenland, das bei uns bei fast 64 Jahren liegt, auf 56 Jahre anzuheben."

    Das Problem an der Erzählung ist nur: Sie ist schlicht und einfach falsch.

    ...Doch in diesem speziellen Fall, in dieser speziellen Situation, tut man der Regierung Tsipras Unrecht, wenn man ihre Weigerung, die Renten noch weiter zu kürzen als angeboten, als bloße Dreistigkeit abtut.

    Denn Griechenland kennt keine Sozialhilfe, kein Hartz IV. Für EU-Normalbürger unvorstellbar: Nicht einmal das Existenzminimum ist abgesichert. Arbeitslosengeld gibt es nur für ein Jahr. Mehr als 90 Prozent der Arbeitslosen bekommen derzeit: keinen Cent.

    In einer Gesellschaft, in der seit Jahren mehr als jeder vierte Erwerbsfähige ohne Job ist, bedeutet das: Viele Familien rücken noch enger zusammen, teilen alles. Jeder gekürzte Renteneuro fehlt dann nicht nur dem Rentner, sondern auch seinen Kindern und Enkeln. Nicht für Kino oder Café, sondern für Essen, Kleidung, Medikamente. Und bereits jetzt bekommt fast die Hälfte der Rentner weniger als 665 Euro im Monat. Sie fallen damit unter die Armutsdefinition der EU.

    Auch die Weigerung der Regierung, die Möglichkeiten zur Frühverrentung noch stärker als ohnehin angeboten zu kappen, wird dadurch verständlich....

    Doch all dies ändert nichts daran, dass weitere Zugeständnisse bei den Renten im aktuellen Schuldenstreit vor allem die Ärmsten treffen würden, Jung und Alt...

    Zu den Fakten:

    Laut der Industrieländerorganisation OECD lag das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland über alle Eintrittsgründe und Berufsgruppen hinweg im Jahr 2011 bei 61,4 Jahren.

    Ebenfalls 61,4 Jahre betrug nach Angeben der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2013 das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland.

    Dass Griechen im Schnitt im gleichen Alter in Rente gehen wie Deutsche, überrascht. Denn die fehlende Sozialhilfe beeinflusst auch die Statistik: In Griechenland gehen viele ältere Arbeitslose deshalb in Frührente - und drücken damit den Altersschnitt des Renteneintritts. In Deutschland bekommen Menschen in vergleichbarer Situation Hartz IV, bis sie ind er Regel mit 63 in Rente gehen.

    Literatur

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-was-rentner-im-vergleich-zu-deutschland-wirklich-kriegen-a-1039256.html

     

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 21st 2015 bearbeitet
     

    (21.6.2015) Die Stunde der Opportunisten und Zyniker: Macht die Greichen fertig!

    Einen sehr schönen und passenden Artikel gibt es derzeitig bei den Deutschen Wirtschaftsnachts Nachrichten zu lesen, der ziemlich eindeutig und umfassend meine eigene Meinung bestätigt und auf den Punkt bringt. Es ist einfach nur noch geradezu unerträglich, wenn von einer ziemlichen Mehrheit an deutschen Politikern - mit einer derartig zynischen und geradezu inhumanen Haltung und Einstellung - ein eigentlich friedensstiftendes und zur Verständigung von Länder und Völkern mit gemeinsamen Werten und humanen Idealen angedachtes Projekt, wie die Europäische Gemeinschaft, derartig in geradezu unsäglicher Weise mit Füßen getreten wird.

    Man kann sich jetzt eigentlich nur noch die Frage stellen, wo dies eigentlich hinführen soll? Soll etwa zunächst Griechenland tatsächlich vollständig in Trümmern liegen und dann anschließend ganz Europa? Man muss sicherlich nicht allzu viel Vorstellungskraft und Phantasie besitzen, um feststellen zu können, dass eine Fortsetzung dieser unsäglichen Austerität und damit in der Folge ein sicherlich erzwungener Ausschluss Griechenlands aus dem Euro und damit auch der EU letztlich die Zerstörung der EU selbst einleiten würde.

    (DWN vom 20.6.2015) Die Stunde der Opportunisten: Macht die Griechen fertig!

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 22nd 2015 bearbeitet
     

    (22.6.2015) Mit den Schlafwandlern in die Katastrophe

    Heiner Flassbeck benennt die von Merkel und Schäuble betriebene Politik, sie würde "schwandlerisch" in die Katastrophe führen; ich würde deren Vorgehensweise eher als vollständig ignorant, inhuman und vor allem als interessensgesteuert bezeichnen - obwohl der Endpunkt letztlich identisch bleiben dürfte. Die Vorgaben, nach denen eine wie Merkel sich zu richten hat, sind mittlerweile mehr als offensichtlich nach US-geostrategischen Interessenslagen ausgerichtet und der von zahlreichen Politikern und Mainstream-Medien fortwährend angekündigte "Grexit" ist damit vollständig sicher ausgeschlossen und allenfalls zur Verschleierung der tatsächlich katastrophalen Situation geeignet. Dies hat jedoch zur Folge, dass weder eine Lösung der humanitären Katastrophe in Griechenland in Sicht ist, noch die massiven Probleme der gesamten Euro-Zone sowie auch der EU (teils massive Arbeitslosigkeit, Rezession, deflationäre Tendenzen, gesellschaftliches und soziales Auseinanderdriften) in irgendeinster Weise auch nur ansatzweise gelöst werden (können).

    (flassbeck-ecnomics vom 22.6.2015) Die Schlafwandler

    ..Dass dabei der Glaube der Menschen in den Schuldnerländern an die Demokratie schwer geschädigt oder sogar zerstört wird, dass über Jahrzehnte die Beziehungen der betroffenen Länder zu den Gläubigerstaaten zerrüttet werden, dass man in den Gläubigerstaaten ein Herrschaftsdenken schafft, dass durch nichts gerechtfertigt ist, dass man eine faire wirtschaftliche Zusammenarbeit für lange Zeit desavouiert...

    In diesem Geiste sagte die deutsche Bundeskanzlerin vergangenen Freitag im Deutschen Bundestag einen bemerkenswerten Satz: „Seit Beginn der europäischen Staatsschuldenkrise verfolgt Deutschland ein klares Ziel: Europa soll stärker aus der Krise hervorgehen, als es in sie hineingekommen ist. Auf diesem Weg sind wir weit vorangekommen“.

    Europa ist weit vorangekommen? Europa befindet sich im sechsten Jahr von Rezession und Stagnation, es hat hunderte von Milliarden an möglichem Wohlstand eingebüßt, weil es unfähig ist, sich aus der Krise zu lösen. Europa hat ein Niveau der Arbeitslosigkeit, das höher ist als jemals zuvor. In einigen Ländern ist das Niveau der Arbeitslosigkeit unerträglich hoch. Europa befindet sich hart am Rande einer Deflation und die Zentralbank kämpft mit den letzten möglichen Mitteln um Stabilität und gegen weitere Einbußen. Europa muss auf eine Abwertung seiner Währung hoffen, um überhaupt positive Impulse für seine Wirtschaft erzielen zu können. Europa hat es auch im Ansatz nicht geschafft, die Ursachen seiner Misere zu analysieren und Lösungen, die für alle verträglich sind, aufzuzeigen. Europa ist politisch dem Zerfall ganz nahe. Nicht nur in Griechenland und in Großbritannien, sondern auch in vielen anderen Ländern fragen sich die Bürger, warum sie für ein Europa eintreten sollen, das politisch und wirtschaftlich tief zerstritten ist und von Deutschland aus der Krise „geführt“ werden muss. Europas Versagen ist heute die Formel, die fast monatlich in irgendeinem Land neue nationalistische Bewegungen entstehen lässt.

    Wenn dieses Europa in den Augen der deutschen Bundeskanzlerin stärker ist als vor der Krise, dann kann man nur schlussfolgern, dass diese Bundeskanzlerin Europa schlafwandlerisch in eine Katastrophe führt. Es ist genau die Unfähigkeit, die Zusammenhänge zu sehen und die Situation der jeweils anderen zu verstehen, die, so wie Christopher Clark es für die Zeit vor dem ersten Weltkrieg beschrieben hat...., die Katastrophe geschehen lässt, obwohl es eigentlich niemand will.

    Die Sicht der deutschen Bundeskanzlerin auf die Welt ist so eng, so deutsch und so falsch wie es nur eine merkantilistische Sichtweise sein kann. Indem sie diese auf ganz Europa projiziert, schafft sie ein Gebilde, das für den Rest der Welt vollkommen unverdaulich ist und dessen Inneres sich in Auflösung befindet, weil es den meisten Partnerländern zurecht zutiefst widerstrebt, so merkantilistisch zu sein, wie es die „Führungsnation“ vorschreibt. Ich fürchte, einer unsere Leser hat Recht, der darauf hinweist (danke dafür!), dass manche naive Geister im Umfeld der Kanzlerin fest daran glauben, dass nur ein „starkes“ Europa im deutschen Sinne, also ein Europa ohne Schulden, mit Leistungsbilanzüberschüssen und mit der Bereitschaft, den Gürtel noch weit enger zu schnallen, den Herausforderungen der neuen aufstrebenden Mächte begegnen kann und damit überlebensfähig ist... Auf dem Weg, Europa in diesem Sinne zu verunstalten, ist man in der Tat weit vorangekommen.

    Diesem Denken steht niemand mehr im Weg als SYRIZA und genau deswegen muss das Exempel statuiert werden. Doch täuscht euch nicht! Nach SYRIZA kommt Podemos oder irgendeine andere Formation, die begreift, dass es so nicht weitergeht und die die Massen bewegen kann. Doch selbst wenn es gelingt, die Linke ein für allemal mundtot zu machen, wird eine radikale Rechte kommen, die man nicht mundtot machen kann, weil sie mit dem „deutschen Europa“ bricht, bevor man sie überhaupt fassen kann.

    Das gestärkte Europa nach deutschem Vorbild, von dem die Bundeskanzlerin spricht, ist eine Fata Morgana. Viele vernünftige Menschen wissen das, aber nur wenige in Deutschland sind bereit, sich offen dagegen zu stellen. Man hält still nach dem Motto, man könne das eigene Land doch nicht offen kritisieren, zumal es vom Ausland ja sowieso schon kritisiert wird. So schweigen die Medien oder verteidigen sogar, was eigentlich nicht zu verteidigen ist. So schauen auch die politischen Parteien ...zur Seite, denen man eigentlich den aufrechten Gang zugetraut hätte. Das aber ist falsch verstandener Patriotismus und auch eine Form von Schlafwandlertum...

    Literatur

    http://www.flassbeck-economics.de/die-schlafwandler/

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 23rd 2015 bearbeitet
     

    (23.6.2015) Eine Frage von Ethik und Moral

    Chapeau! Herr Habermas. Chapeau! Jeder Mensch, der auch noch einen Funken Moral und Ethik besitzt, kann den gnadenlosen Umgang mit Griechenland nur ablehnen.. kommentiert Jens Berger auf den Nachdenkseiten einen Artikel des Philosphen Jürgen Habermas bei der Süddeutschen Zeitung. Dabei wird ein Kritik-Punkt an der interessens- und klientelgeleiteten Merkelschen Vorgehensweise angesprochen, den ich obig noch hatte vergessen anzumerken.. natürlich richtet sich diese ganz deutlich erkennbar neben den US-geostrategischen Vorgaben insbesondere auch nach der Interessenslage der Finanzwirtschaft. - Habermas stellt diesen Umstand ganz deutlich heraus. Angela Merkel habe die Krise mitverursacht. Der Kanzlerin seien die Anlegerinteressen wichtiger als die Sanierung der griechischen Wirtschaft.

    (SZ vom 22.6.2015) Habermas: Warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist

    Nicht Banken, sondern Bürger müssen über Europa entscheiden, das fordert der berühmte Philosoph Jürgen Habermas. Angela Merkel habe die Krise mitverursacht. Der Kanzlerin seien die Anlegerinteressen wichtiger als die Sanierung der griechischen Wirtschaft...

    Merkel waren schon 2010 Anlegerinteressen wichtiger

    Weil für die deutsche Bundeskanzlerin schon im Mai 2010 die Anlegerinteressen wichtiger waren als ein Schuldenschnitt zur Sanierung der griechischen Wirtschaft, stecken wir wieder in einer Krise. Jetzt kommt die Blöße eines anderen institutionellen Defizits zum Vorschein.

    Das griechische Wahlergebnis ist das Votum einer Nation, die sich mit deutlicher Mehrheit gegen das ebenso erniedrigende wie niederdrückende soziale Elend einer dem Land oktroyierten Sparpolitik zur Wehr setzt. An dem Votum selbst gibt es nichts zu deuteln: Die Bevölkerung lehnt die Fortführung einer Politik ab, deren Fehlschlag sie am eigenen Leibe drastisch erfahren hat. Mit dieser demokratischen Legitimation ausgestattet, macht die griechische Regierung den Versuch, einen Politikwechsel in der Euro-Zone herbeizuführen.

    Dabei stößt sie in Brüssel auf die Repräsentanten von 18 anderen Regierungen, die ihre Ablehnung mit dem kühlen Hinweis auf ihr eigenes demokratisches Mandat rechtfertigen. Man erinnert sich an jene ersten Begegnungen, als sich die präpotent auftretenden Novizen in der Hochstimmung ihres Triumphes mit den teils paternalistisch-onkelhaft, teils routiniert-abfällig reagierenden Eingesessenen einen grotesken Schlagabtausch lieferten: Beide Seiten pochten papageienhaft darauf, vom jeweilig eigenen "Volk" autorisiert worden zu sein.

    Die ungewollte Komik ihres einträchtig nationalstaatlichen Denkens führte der europäischen Öffentlichkeit unübertrefflich vor Augen, was wirklich fehlt - ein Fokus für eine gemeinsame politische Willensbildung der Bürger über folgenreiche politische Weichenstellungen in Kerneuropa...

    Gewiss, in der Sache geht es um das sture Festhalten an einer Sparpolitik, die nicht nur in der internationalen Wissenschaft überwiegend auf Kritik stößt, sondern in Griechenland barbarische Kosten verursacht hat und hier nachweislich gescheitert ist. Aber in dem Grundkonflikt, dass die eine Seite einen Wechsel dieser Politik herbeiführen möchte, während sich die andere Seite hartnäckig weigert, sich überhaupt auf politische Verhandlungen einzulassen, verrät sich eine tiefer liegende Asymmetrie.

    Man muss sich das Anstößige, ja Skandalöse dieser Weigerung klarmachen: Der Kompromiss scheitert nicht an ein paar Milliarden mehr oder weniger, nicht einmal an dieser oder jener Auflage, sondern allein an der griechischen Forderung, der Wirtschaft und der von korrupten Eliten ausgebeuteten Bevölkerung mit einem Schuldenschnitt - oder einer äquivalenten Regelung, beispielsweise einem wachstumsabhängigen Schuldenmoratorium - einen neuen Anfang zu ermöglichen.

    Statt-dessen bestehen die Gläubiger auf der Anerkennung eines Schuldenberges, den die griechische Wirtschaft niemals wird abtragen können. Wohlgemerkt, es ist unstrittig, dass ein Schuldenschnitt über kurz oder lang unvermeidlich ist. Die Gläubiger bestehen also wider besseres Wissen auf der formellen Anerkennung einer tatsächlich untragbaren Schuldenlast.

    Bis vor Kurzem beharrten sie sogar auf der buchstäblich fantastischen Forderung eines Primärüberschusses von mehr als vier Prozent. Diese ist zwar auf eine immer noch unrealistische Forderung von einem Prozent gesenkt worden; aber bislang scheitert eine Einigung, an der das Schicksal der Europäischen Union hängt, an der Forderung der Gläubiger, eine Fiktion aufrechtzuerhalten...

    Das schwache Auftreten Athens ändert nichts an dem Skandal

    ..Das schwache Auftreten der griechischen Regierung ändert nichts an dem Skandal, der darin besteht, dass sich die Politiker in Brüssel und Berlin weigern, ihren Kollegen aus Athen als Politiker zu begegnen. Sie sehen zwar wie Politiker aus, lassen sich aber nur in ihrer ökonomischen Rolle als Gläubiger sprechen. Diese Verwandlung in Zombies hat den Sinn, der verschleppten Insolvenz eines Staates den Anschein eines unpolitischen, vor Gerichten einklagbaren privatrechtlichen Vorgangs zu geben.

    Denn dann lässt sich eine politische Mitverantwortung umso leichter verleugnen. Unsere Presse macht sich über den Akt der Umbenennung der Troika lustig; er ist tatsächlich so etwas wie eine magische Handlung. Aber darin äußert sich der legitime Wunsch, dass hinter der Maske der Geldgeber doch das Gesicht der Politiker hervortreten möge. Denn nur als Politiker können diese für einen Misserfolg, der sich in massenhaft vertanen Lebenschancen, in Arbeitslosigkeit, Krankheit, sozialem Elend und Hoffnungslosigkeit ausgebreitet hat, zur Rechenschaft gezogen werden.

    Der Skandal im Skandal ist die Hartleibigkeit

    Angela Merkel hat für ihre zweifelhaften Rettungsaktionen von vornherein den Internationalen Währungsfonds ins Boot geholt...Als Mitglieder der Troika verschmelzen auch europäische Institutionen mit diesem Akteur, sodass sich Politiker, soweit sie in dieser Funktion handeln, in die Rolle strikt regelgebunden handelnder und unbelangbarer Agenten zurückziehen können.

    Diese Auflösung von Politik in Marktkonformität mag die Chuzpe erklären, mit der Vertreter der deutschen Bundesregierung, ausnahmslos hochmoralische Menschen, ihre politische Mitverantwortung für die verheerenden sozialen Folgen leugnen, die sie als Meinungsführer im Europäischen Rat mit der Durchsetzung der neoliberalen Sparprogramme doch in Kauf genommen haben.

    Der Skandal im Skandal ist die Hartleibigkeit, mit der die deutsche Regierung ihre Führungsrolle wahrnimmt. Deutschland verdankt den Anstoß zu dem ökonomischen Aufstieg, von dem es heute noch zehrt, der Klugheit der Gläubigernationen, die ihm im Londoner Abkommen von 1953 ungefähr die Hälfte seiner Schulden erlassen haben.

    Aber es geht nicht um eine moralische Peinlichkeit, sondern um den politischen Kern: Die politischen Eliten in Europa dürfen sich nicht länger vor ihren Wählern verstecken und selber den Alternativen ausweichen, vor die uns eine politisch unvollständige Währungsgemeinschaft stellt. Es sind die Bürger, nicht die Banken, die in europäischen Schicksalsfragen das letzte Wort behalten müssen.

    Zur postdemokratischen Einschläferung der Öffentlichkeit trägt auch der Gestaltwandel der Presse zu einem betreuenden Journalismus bei, der sich Arm in Arm mit der politischen Klasse um das Wohlbefinden von Kunden kümmert.

    Literatur

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=26485#h02

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/europa-sand-im-getriebe-1.2532119

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 26th 2015 bearbeitet
     

    (26.6.2016) Ein Ausmaß an Borniertheit, Ignoranz und Arroganz, das seinesgleichen sucht!

    Es ist sehr schön zu erleben, wenn ein ausgewiesener Experte mit höchstem ökonomischen Sachverstand, wie Heiner Flassbeck, derartig eindeutig Stellung gegen diese unsägliche und inhumane Politik bezieht, für die insbesondere Merkel und Schäuble entscheidende Verantwortung tragen, die zudem mit einer geradezu unerträglichen Mischung aus Ignoranz, Unfähigkeit und Gewissenlosigkeit agieren. Dass gerade dann diese beiden Politiker auch noch mehr als offensichtlich die Vorgaben für ganz Europa geben, lässt ganz sicherlich nicht mehr allzu viel Gutes für die Zukunft der Europäischen Union und Idee ahnen. Auf die Folgen und Konsequenzen darf man jedenfalls jetzt schon gespannt...

    (flassbeck-economics vom 26.6.2015) Das katastrophale Ende des griechisch-europäischen Trauerspiels

    Wer bisher nicht glauben wollte, dass die Gläubiger im Krisenfall den Schuldnern im Detail vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben, der hat jetzt die Gelegenheit zu lernen, dass Schuldner eigentlich keine Rechte mehr haben, sondern auf Gedeih und Verderb von den Gläubigern und deren Ideologien abhängen. Im Falle Griechenlands wird zur Zeit fast jedes Arbeitspapier veröffentlicht, so dass man sich selbst unmittelbar ein Bild von dem alltäglichen Irrsinn machen kann, der da hin- und hergeschoben wird.

    Das „letzte“ Angebot der Gläubiger..., wobei schon die Terminologie und die Art und Weise, nach welchem Zeitplan das letzte Angebot entschieden und umgesetzt werden soll, eine unglaubliche Demütigung des Schuldners ist. Ein paar Stunden bleiben dem griechischen Parlament, um zuzustimmen, bevor die „Frist“ abläuft. Welche Frist eigentlich? Ist es nicht vollkommen gleich, ob am 1. Juli zurückgezahlt wird oder am 10 Juli, im Einvernehmen mit den Gläubigern, in dem Fall dem IWF?

    Die formale Demütigung des Schuldners in den „Verhandlungen“ (man sollte statt Verhandlungen eher davon sprechen, dass hier übermächtige Gläubiger einen Schuldner fünf Monate lang am ausgestreckten Arm haben verhungern lassen) wird nur noch überboten von der materiellen Demütigung. Inhaltlich hat die Athener Regierung das genau nicht erreicht, was der Kern der Forderungen von SYRIZA war, nämlich die Möglichkeit, dem Land und der Wirtschaft neue Impulse zu geben. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es werden Steuern erhöht, Ausgaben gekürzt und die „Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes wird weiter vorangetrieben. In einer Situation, wo der Einzelhandel eines Landes so am Boden liegt wie in Griechenland..., ist schon der Gedanke an eine Mehrwertsteuererhöhung absurd. Auch Unternehmenssteuern zu erhöhen ist nicht sinnvoll in mitten der tiefsten Investitionskrise, die man sich vorstellen kann. Pikant ist allerdings, dass die Gläubiger, wie die Financial Times berichtet, darauf bestanden haben, die Unternehmenssteuer nur von 26 auf 28 Prozent zu erhöhen und nicht, wie von SYRIZA vorgeschlagen, auf 29 Prozent. Da dominiert dann doch der Glaube an die heilsame Wirkung von Angebotspolitik den naiven Versuch, so viel Steuern wie möglich einzutreiben, um mitten in der Rezession den Staatshaushalt zu konsolidieren.

    Insgesamt gibt es wiederum – wie schon von 2010 bis heute – keinen Hauch einer Vorstellung davon, wie man die griechische Wirtschaft so anregen könnte, dass sie in der Lage wäre, ohne weitere Katastrophe bei den sozialen Bedingungen im Land die Primärüberschüsse (also Überschüsse der staatlichen Ausgaben über die Einnahmen ohne Zins- und Tilgungszahlungen), die jetzt angestrebt werden (von ein Prozent 2015 bis zu vier Prozent in vier Jahren), zu erreichen. Nicht eine Maßnahme in dem Papier kann eine depressionsgeschüttelte Wirtschaft wieder zu einem normalen Leben erwecken.

    Damit haben sich, jenseits aller kleinteiligen Kompromisse, die Gläubiger und vorneweg Deutschland vollständig durchgesetzt. Sie haben ihre Ideologie von der Flexibilisierung, der Privatisierung und dem Rückzug des Staates ohne Rücksicht auf die konkrete Lage und die schlimmen Folgen der seit 2010 verschriebenen Flexibilisierungsmaßnahmen durchgedrückt. Das ist ein Ausmaß an Borniertheit, Ignoranz und Arroganz, das seinesgleichen sucht. Es ist das Ende des Europas, das einsichtige Politiker einst suchten, als sie nach den Wirren des Krieges den Menschen Hoffnung auf eine bessere und gerechtere Welt machen wollten. Die Folgen werden verheerend sein, und das ganz sicher nicht nur für Griechenland.

    Literatur

    http://www.flassbeck-economics.de/das-katastrophale-ende-des-griechisch-europaeischen-trauerspiels/

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 27th 2015 bearbeitet
     

    (27.6.2015) Mein Respekt für ein geniales Agieren!

    Mein ausgesprochener Respekt gilt Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis für deren beinahe schon geniales Agieren in der Griechenland- und Euro-Krise. In äußerst schwierigen Zeiten gelingt ihnen in einer einzigartigen Deutlichkeit, egal wie diese Griechische Tragödie auch immer ausgehen mag, die ausgesprochene Unfähigkeit und Ignoranz bis hin zu geradezu menschenunwürdigem Handeln von Politikern wie insbesondere Merkel oder Schäuble, aber auch Gabriel und Schulz aufzuzeigen und zu belegen, zu Lasten der "normalen" Bevölkerung, in einer geradezu abstrusen Abhängigkeit, wenn nicht gar Hörigkeit von der Finanzwirtschaft und damit insbesondere eine geradezu Vorreiterrolle bei der Zerstörung von Europäischen Werten zu spielen.

    Es mögen sicherlich noch einige Probleme auf Griechenland zukommen, aber nach einer tatsächlichen Abhandlung eines Referendums (also nicht nur einer bloßen Ankündigung) über die derzeitigen Probleme werden zumindest ganz eindeutige Fakten geschaffen. Und eines dürfte damit ganz sicherlich klar werden, sollte die griechische Bevölkerung gegen diese inhumanen und nicht zu akzeptierende Forderungen der "Institutionen" und "Gläubiger" stimmen, dass diese sich äußerst schwer tuen werden damit, ihre Forderungen tatsächlich aufrechtzuerhalten und z.B. eine Schuldenkonferenz damit unausweichlich wird.

    Ich sehe zudem in so gar keine Weise, dass die EZB die ELA-Notkredite einstellen wird, da mögen manche (deutschen) Politiker noch so (auf-)heulen wie sie wollen. Denn eines dürfte klar sein, Merkel und Lagarde haben den US-geopolitischen Auftrag, Griechenland im Euro und der EU zu halten, koste es was es wolle und daher wird man auch auf weitestgehend auf die griechischen Forderungen eingehen werden und auch müssen, die insbesondere einen Schuldenschnitt und finanziell-ökonomische Forderungen, die einen einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung ermöglichen, beinhalten werden.

     

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJun 29th 2015 bearbeitet
     

    (29.6.2015) Weitere Hinweise, die das Vorgehen von Tsipras und Varoufakis bestätigen

    Es gibt jenseits der sämtlichen Hetze und Propaganda gegen griechische Politiker und Griechenland durch deutsche Politiker und Mainstream-Medien dann doch noch Hinweise für ein äußerst sinnvolles Vorgehen von Tspiras und Varoufakis, die das Heft des Handelns in der Hand behalten, gegen eine geradezu inhumane und menschenunwürdige Politik von Merkel, Schäuble und Konsorten (sprich der Troika oder den sog. "Institutionen"), die jeglichste demokratische Legitimation und sämtliche humanitären Werte eines vereinten Europas geradezu ad absurdum führen.

    (Heise-Telepolis vom 29.6.2015) Griechenland zeigt Erpressungsversuchen die zweite Gelbe Karte

    Schon die Einführung der Kapitalverkehrskontrollen führt zu massiven Verwerfungen an den Kapitalmärkten, eine klare Warnung an Brüssel...

    Es war der zweite geschickte Schachzug der griechischen Linksregierung unter Syriza. Der erste war die Entscheidung, die Bevölkerung und damit den Souverän über das Programm demokratisch entscheiden zu lassen... das dem Land erneut aufgezwungenen werden soll, und sogar für eine Ablehnung eines Programms zu werben, das auch nach Ansicht von Experten weiter völlig ungeeignet ist, um Griechenland auf die Beine zu bringen.

    Nun hat die Regierung unter Alexis Tsipras gestern dann die zweite Gelbe Karte gezückt. Statt Normalität zu suggerieren, hat sie nach einer Sitzung am Sonntag nun Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. ... Damit behält die Regierung das Steuer in der Hand und geht den Schritt, obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) am Sonntag beschlossen hatte, die Notfallkredite aufrechtzuerhalten und für Liquidität der griechischen Banken zu sorgen. Denn genau damit sollte die Regierung davon abgehalten werden, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen.

    Nachdem schon gestern die Bankautomaten im Land geplündert wurden, hätte das heute zum Bank Run und zu einem massiven Chaos geführt. Man darf vermuten, dass es genau das war, was mit diesem Vorgehen in Brüssel und Frankfurt geplant war...

    Griechenland hat mit seinem Schritt den Speer umgedreht. Somit wurde auch der Bevölkerung unmissverständlich der Ernst der Lage verdeutlicht. ...

    Die angeblich so erfolgreich bekämpfte Eurokrise ist also mit voller Wucht zurückgekehrt. Vermutlich wird es erst so richtig heftig, wenn man nicht doch noch in letzter Minute eine Einigung mit Griechenland erreicht. Bisher hatten vor allem die EZB-Geldschwemme und die Nullzinspolitik für die Erleichterung der Krisenländer an der Zinsfront gesorgt, was schon absurde Züge annahm...

    Wir erhalten also schon heute einen bescheidenen Eindruck davon, was passieren dürfte, wenn man Griechenland tatsächlich aus dem EU zwingt. Im Unterschied zu Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatten Experten bereits davor gewarnt, dass schon ein Austritt aus dem Euro nicht "beherrschbar" sei, und  Schockwelle "im Quadrat" prophezeit. Angesichts der Tatsache, dass Politiker wie Schäuble auch bei ihren Griechenland- Prognosen eklatant versagt haben und nicht einmal zur Krokodilstränen-Selbstkritikk wie der der IWF fähig waren, sollte man wohl eher den Prognosen folgen, die bisher richtiger lagen....

    Dazu kommt das politische Signal, denn man setzt nicht nur den Euro auf Spiel, sondern schwächt auch noch die politische Union. Ein Euro-Ausstieg der Griechen ist, so scheint sich durchzusetzen, "vermutlich" nur möglich, wenn sie auch aus der EU austreten. Dabei stellt sich die einfache Frage, warum Griechenland überhaupt freiwillig aussteigen sollte. Versüßen könnte man dies bestenfalls mit einer deutlichen Entschuldung und mit einer Kompensation dafür, dass zukünftig eben keine Hilfen mehr aus Struktur- und Kohäsionsfonds fließen würden. Teuer wird es allemal, die Frage ist nur noch, wie teuer.

    (Norbert Häring vom 29.6.2015) Die Schock Doktrin oder warum die Griechen nicht selbst entscheiden dürfen

    Mit der Ankündigung eines Referendums über das Spar- und Reformprogramm, das IWF, EZB und EU-Kommission zur Bedingung für eine Verlängerung des „Hilfs“-Programms für die Griechen gemacht hatten, torpedierte die griechische Regierung den perfiden Plan der Gläubiger. Entsprechend heftig waren die Reaktionen. Das Management by Schock Dcotrine ist in Gefahr.

    Der Plan der Gläubiger bestand darin, die griechische Regierung vor eine unmögliche Wahl zu stellen, und sie daran zerbrechen zu lassen. Nachdem das Kompromissangebot aus Athen sehr weit ging, aber es noch so aussah, als könne die Regierung dort ein Verabschiedung gerade so überleben, setzten die Vertreter der drei EU-Institutionen eins darauf und verlangten ultimativ eine ganze Reihe von Verschärfungen und zum Teil sinnwidrigen Änderungen. Sie hatten fast alle die Wirkung, die Belastung der griechischen Elite zu senken und die der Armen und vor allem Ärmsten zu steigern. Sie waren unverkennbar böswillig und auf Abwahl der Regierung gerichtet, die entweder so etwas vereinbart, oder aber es ablehnt und damit den Rauswurf aus dem Euro provoziert, den das griechische Volk ebenso wenig will....

    Dieses perfide Spiel durchkreuzte die griechische Regierung, indem sie sich weigerte, die unmögliche Entscheidung zu treffen und im Parlament zur Abstimmung zu stellen und sie stattdessen an das Volk zurückgab. Das konnten die Gläubiger natürlich nicht zulassen, denn das würde es ja unmöglich machen, der Regierung die Verantwortung für eine der beiden Katastrophen zu geben, die sie gewählt hatte. Und so muss denn jetzt die Ankündigung eines Referendums als Casus Belli herhalten, mit dem die griechische Regierung angeblich das Schicksal Griechenlands besiegelt hat.

    Die Idee dahinter ist, dass man die Krise der Währungsunion nutzen kann, um die von vielen europäischen Völkern, einschließlich dem deutschen, nicht gewollte Fiskalunion in Europa durchzusetzen und die noch zu großen Reste von demokratischer Selbstbestimmung zu schleifen....

    Das ist unverkennbar das, was Naomi Klein Schock Doktrin nannte...

    Literatur

    http://www.heise.de/tp/artikel/45/45300/1.html

    http://norberthaering.de/de/27-german/news/417-shock-doctrine#weiterlesen

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 1st 2015 bearbeitet
     

    (1.7.2015) Tspiras hat bisher alles richtig gemacht...

    Er hat das Land von einem geadezu inhumanen Spardikatat befreit und die große Katastrophe ist dennoch bisher nicht eingetreten. Es hat aufgezeigt, wie wichtig es für die große Masse der "normalen" Bevölkerung ist (und dies auch vollständig zu Recht!), wieder eine echte Perspektive zu bekommen, künftig ohne die von außen aufgedrängten Sparprogramme leben zu können, die in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens zu geradezu katastrophalen Situationen geführt hat. Dies ist mehr als verständlich! Umd um dieses Ziel zu erreichen, ist es auch zwingend notwendig, dass die drückende Schuldenlast gewsenkt wird, die den Glübigern überhaupt erst die Macht über Griechenland gibt. Jedenfalls hat er mit aller Deutlichkeit, die vollständige Inkompetenz und Ignoranz von deutschen Politikern, IWF und EU-Behördern aufgezeigt, die sich in einem geradezu unwürdigen Gezerre um die Auszahlungen des zweiten Rettungspaktes äußere und die Stimmung in Europa geradezu vergiftet hat.

    Beigetragen zu dieser Situation hat zudem ein großer Teil der Mainstream-Medien mit einer geradezu unsäglichen Hetze und Propaganda gegen Griechen und griechische Politiker. Klar geworden ist damit, dass Merkel und Schäuble sowohl mit ihrer Austeritätspolitik gescheitert sind. Und es wird zudem vollständig deutlich, obwohl dies eigentlich bereits seit Jahren längstens kar sein sollte, dass es keinerlei Sinn mach ganz unterschiedliche Wirtschaftssysteme mit unterschiedlichen Produktivitäten und Leistungsfähigkeiten in einen gemeinsamen Wahrungsraum zu "pressen" und Länder wie Griechenland dann nicht in der eigenen Währung entsprechende abwerten können, um hier wieder ein einigermaßenes Gleichgewicht und Wettbewerbsfährigkeit herzustellen und so auf eine "interne" Abwerung angewiesen sind, die jedoch nicht funktionieren kann, wenn sich nahezu sämtlichen Beteiligten nicht an die Spielregeln halten und wie Deutschland sein mittlerweile weit über 10 Jahren ständig unter seinen Verhältnissen lebt und bei der Lohnentwicklung dem Rest der Euro-Zone weit hinterherhinkt.

    Und es stellt sich zudem die vollständig berechtigte Frage, wohin sind denn eigentlich hunderte von MIlliarden versickert, ohne auch nur irgendetwas zu bewegen. Die Wirtschaftsleistung in Griechenland ist trotz aller Milliarden-Kredite um über 25 % eingebrochen, die Arbeitslosigkeit auf über 25 % angestiegen und die soziale Lage und insbesondere das Gesundheitssystem in einer geradezu katastrophalen Lage. Jetzt gilt es natürlich die Inkompetenz und Unfähigkeit der deutschen Politiker zu verschleieren, wieso man derartig sehenden Auges bei einer geradezu grokesken Geldverbrennungsaktion über mittlerweile ganz fünf Jahre zugesehen hat, ohne ernsthafte Maßnahmen einzuleiten, die zu einer echten Problemlösung sinnvoll und notwendig gewesen wären. Natürlich war Griechenland zudem ein gern gesehener Abnehmer deutscher Industrieprodukte, geradezu grotesk mutet es jedenfalls an, dass über ca. 10 Jahre hinweg, ca. 10 % der deutschen Waffenexporte ausgerechnet in das kleine Griechenland geliefert wurden und dies mit absoluter Zustimung und Kenntnis der deutschen Politik.

    Frau Merkel wird sich jedenfalls nicht mehr allzu lange verweigern können, zuzugestehen, dass Deutschland zumindest einen großen Teil der nach Griechenland vergebenen Kredite nicht mehr wiederbekommen wird. Diese Wahrheit scheinen viele Menschen in Deutschland offenbar nur schwer ertragen können. Ebenso wie die zwingende Notwendigkeit - sollte Griechenland tatsächlich im Euro und der EU gehalten werden - wie ja insbesondere die Vorgaben des US-Präsidenten Obama so sind, noch weitere Rettungspakete aufzulegen und sich auf dauerhafte Transferleistungen in dieses Land einzustellen.

    Literatur

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-ende-des-hilfsprogramms-kann-eine-chance-sein-a-1041449.html

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 5th 2015 bearbeitet
     

    (4.7.2015) Die Lügen der deutschen Politik und Mainstream-Medien.

    Über die Lügen der deutschen Politik und Mainstream-Medien gibt es derzeitig ganz viel zu lesen, kein Wunder in einer derzeitigen Situation, in der man alles versuchen MUSS, die Situation immer noch und immer weiter zu beschönigen und schönzuregen.

    Einer der diese ganz unsägliche Situation immer noch sachlich nüchtern darstellen kann, ist Heiner Flassbleck. Mir gelingt dies leider, bei derartig viel gesammelter Unfähigkeit und Ignoranz leider nicht immer.

    (flassbeck-economics vom 2.7.2015) Das Lügen der herrschenden Kreise und die innere Logik der Krise

    Europa habe von der Fähigkeit gelebt, Kompromisse zu schließen, sagte Bundeskanzlerin Merkel am Montag und der sogenannte Vizekanzler von der SPD stellte sich spontan an ihre Seite...

    Dass in der Krise die Lüge zum alltäglichen Mittel der Politik wird, ist nicht überraschend. Aber die Art und Weise in der die deutschen Medien Arm in Arm mit der Politik den ideologischen Kampf, um den es hier im Kern geht, führen, stellt alles in den Schatten, was man sich hat vorstellen können. Ich will nicht noch einmal all das wiederholen, was wir in den vergangenen Monaten zu diesen Fragen gesagt und geschrieben haben. Wichtig scheint mir aber, den Kern des ideologischen Gerüsts noch einmal kurz darzustellen, um den es den Gläubigern und ihren Institutionen geht. Mit diesem Kern, da hat SYRIZA vollkommen recht, kann es keinen Kompromiss geben.

    Dass SYRIZA in den Verhandlungen der letzten fünf Monate viele Kompromisse gemacht hat, steht außer Frage genauso wie die Tatsache, dass Griechenland seit 2010 ein Musterschüler in Sachen „Reformen“ war. Ersteres kann man sehr gut noch einmal in der Stellungnahme von Yanis Varoufakis nachlesen, die er in den letzten Stunden der Verhandlungen (bevor man ihn ausschloss) vor der Eurogruppe gemacht hat.

    Das ganze Gebäude des Konservativismus, dem sich die deutsche Sozialdemokratie (wie zuletzt auch die französische und vorher schon die britische) ohne Wenn und Aber zu Anfang dieses Jahrhunderts angeschlossen hat, beruht auf der Fiktion, man könne eine Marktwirtschaft konsequent mit zwei minimalen Eingriffen steuern..

    Diese Vorstellung trifft sich natürlich mit den vermeintlichen Interessen der Unternehmen und sogar dem häufig mikroökomisch geprägten Gedankengut der Gewerkschaften und ist daher in hohem Maße politiktauglich. Denn sie lässt sich an jedem Stammtisch verkaufen, so dass sie in der Regel ohne große Widerstände umgesetzt werden kann. Sie deckt sich zudem mit den zentralen wirtschaftlichen Vorurteilen der großen Masse der Bevölkerung bezüglich solidem Wirtschaften, der Verwerflichkeit von Schulden und der unvermeidlichen Aufgabe von Nationen, sich mit anderen Nationen im globalen Wettbewerb messen zu müssen.

    Die Gegenvorstellung (also eine keynesianische Idee im weitesten Sinne) basiert auch auf den Prinzipien einer Marktwirtschaft, ist jedoch weit weniger alltags- und ideologietauglich. Sie stellt auf die gesamtwirtschaftliche Verantwortung des Staates ab, verwischt die scheinbar klare Teilung der Aufgaben zwischen Staat und Notenbank, widerspricht der alltäglichen Erfahrung der Menschen über den Zusammenhang von Löhnen und Arbeitsplätzen und lehnt den Wettbewerb von Nationen ab.

    Konkret treffen diese beiden Positionen mit aller Härte aufeinander, wenn es – wie jetzt in Griechenland – darum geht, eine in Stagnation und Rezession befindliche Volkswirtschaft wiederzubeleben. Weil sie gesamtwirtschaftliches Denken als keynesianisches Teufelszeug von vorneherein ablehnt, beharrt die konservative Position darauf, mit den Mitteln einer schwäbischen Hausfrau die Wirtschaft wiederzubeleben, also mit dem Versuch, sich durch eigenes Gürtel-enger-Schnallen aus dem Sumpf zu ziehen. Man tut das entweder dadurch, dass man sich unmittelbar zu Lasten anderer rettet oder darauf baut, dass eine Schlankheitskur es demjenigen, der im Sumpf steckt, leichter macht, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.

    Diese Position ist grundfalsch, weil sie systematisch negative Rückwirkungen der Restriktionspolitik eines Bereiches, also der Verschlankungsmaßnahmen, auf den Rest der Volkswirtschaft ausschließt. Das kann man aber bei Anwendung von ein wenig Vernunft nicht ausschließen. Wenn der Staat Steuern erhöht, seine Ausgaben kürzt oder die Löhne von heute auf morgen sinken, gibt es keine Kompensation der damit ausgelösten negativen Nachfrageeffekte an anderer Stelle der Volkswirtschaft. Das einzige, was der herrschenden Lehre bei den staatlichen Kürzungen einfällt, ist ein fiktiver positiver Zinseffektk der aber in Europa derzeit gar nicht zur Geltung kommen kann, weil die Notenbank die Zinsen sowieso schon auf null gesetzt hat. Auch bei Lohnsenkungen überwiegen immer die negativen Effekte, wenn man die unmittelbar eintretenden negativen Nachfrageeffekte im Inland ebenso zur Kenntnis nimmt wie die langfristig katastrophalen Effekte im Ausland.

    Was bleibt, ist reine Ideologie. Die muss aber mit Gewalt durchgepeitscht werden, weil jedes Nachgeben in der Sache dem Eingeständnis gleichkäme, man brauche ein wirtschaftspolitisches Konzept, bei dem der Staat immer wieder eine aktive und den Vorurteilen der eigenen Klientel fundamental widersprechende Rolle einzunehmen hat. Die keynesianische Position mit aller Härte abzulehnen, ist für konservative christdemokratische Parteien unabdingbar...

    Aber wenn es um Probleme jenseits der eigenen Klientel geht, kann eine bürgerlich-konservative Partei niemals zugestehen, dass ihr Konzept der Verschlankung nicht aufgegangen ist. Das genau aber hat SYRIZA zu Recht konstatiert, leider ohne selbst über ein ausgefeiltes keynesianisches Konzept zu verfügen. Die „Verhandlungen“ begannen also schon mit Ausgangspositionen, die keinen Kompromiss zuließen. Die Institutionen und die CDU geführte deutsche Regierung mussten darauf beharren, weiter – und trotz aller Misserfolge – Restriktionspolitik zu betreiben, während SYRIZA angetreten war, um genau die zu beenden, also der griechischen Wirtschaft einen positiven Impuls zu vermitteln. Was die Eurogruppe zum Schluss angeboten hat, war eine etwas abgeschwächte Restriktionspolitik, aber immer noch Restriktionspolitik, nicht Expansionspolitik. Die Daumenschrauben wurden in fünfmonatigen Verhandlungen etwas gelockert, blieben aber weiter extrem schmerzhaft. SYRIZA hätte sich entschließen können, mit dem Schmerz weiterzuleben, und vielleicht wird das Volk ja genau das der nächsten griechischen Regierung auferlegen. Aber SYRIZA hatte genug ökonomischen Sachverstand, um zu wissen, dass dann das Ziel einer Belebung der griechischen Wirtschaft niemals zu erreichen sein wird.

    Die Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen ist bitter: Man kann mit konservativen Parteien (und mit hasenfüßigen Sozialdemokraten genau so wenig) keinen Weg aus der Krise der Europäischen Währungsunion finden, ja, man kann mit ihnen überhaupt keine große und relativ geschlossene Volkswirtschaft wie die europäische lenken. ...Jetzt, in ihrer dritten Phase, richten die Konservativen gewaltigen Schaden an, weil sie ohne Rücksicht auf Verluste ihr falsches Konzept für Europa durchdrücken. Währenddessen hat sich die deutsche Wirtschaft – mit Hilfe der „Reformpolitik“ von Sozialdemokraten und Grünen – einen so großen Wettbewerbsvorsprung verschafft, dass sie weit weniger von den Kollateralschäden der konservativen Krisenbekämpfung betroffen ist.

    Politisch folgt aus dieser Analyse, dass es eine Besserung in Europa so bald nicht geben wird. Die Menschen versuchen zwar, Alternativen zu wählen, aber so lange das große Gläubigerland nicht anders regiert wird, nützt das nichts. Erst wenn Frankreich und Italien und vielleicht auch Spanien beginnen zu verstehen, auf was sie sich mit der Währungsunion unter deutscher Führung eingelassen haben, und offen gegen die deutsche Provinzpolitik opponieren, gibt es eine Chance auf Änderung. Nach Lage der Dinge werden es aber in zwei dieser drei Länder rechte und explizit antieuropäische Parteien sein, die sich der Herausforderung stellen, Deutschland barsch zurück in seine nationalen Schranken zu weisen.

    Literatur

    http://www.flassbeck-economics.de/das-luegen-der-herrschenden-kreise-und-die-innere-logik-der-krise/

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 5th 2015 bearbeitet
     

    (5.7.2015) Gratulation an Tspiras und Varoufakis!

    Wie bereits schon festgestellt haben die Beiden gegen sämtliche Hetze und Propaganda sowohl der deutschen als auch teils der griechischen Mainstream-Medien alles richtig gemacht. Das griechische Volk hat in einem demokratischen Referdendum mehrheitlich mit einem klaren NEIN gegen den bisherigen Austeritätskurs gestimmt, der zu geradezu inhumanen und katastrophalen Zuständen geführt hat unter dem weite Teile der Bevölkerung leiden, gegen die die internationen Geldgeber und insbesondere auch die Tonangebenden in der deutschen Politik.

    Ich hoffe jetzt darauf, dass Tspiras und Varoufakis dieses Votum entsprechend nutzen und die künfig anstehenden Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis für Griechenland und das griechische Volk führen werden.

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 6th 2015 bearbeitet
     

    (6.7.2015) Vollständig berechtigte Forderungen von Tsipras..

    Deutschland bzw. wohl besser seine Export-orientierte Industrie ist mit einem geradezu absurd hohen Außenhandelsüberschuss der Gewinnler dieser Eurokrise, bedingt durch den durch nichts zu rechtfertigen niedrigen Eurokurs im Vergleich zur ehemalig "starken" D-Mark sowie ein derartig niedriges Lohnniveau, das die tatsächliche Produktivität und Stärke des "deutschen" Euros in so gar keiner Weise wiederspiegelt, genauso wie die Finanzwirtschaft oder auch der deutsche Staat, der sich mittlerweile quasi zum Nulltarif verschulden kann...

    Und da will man Griechenland mit einer weiterhin unsäglichen Austeritätspolitik, die gnadenlos gescheitert ist, keine weiteren Zugeständnisse mehr machen? Man muss einfach ganz ernsthaft an dem Geisteszustand von so manchem Politiker zweifeln, wenn man sieht, wie man hier quasi die "goldene Eier legende Gans" (ab-)schlachten will, der u.a überhaupt diese überbordenden Exportgewinne über Jahre hinweg zu verdanken waren, wenn man so sieht, dass z.B. ca. 10 % der deutschen Waffenexporte über ca. 10 Jahre an diese kleine Land gingen. Einen derartig willigen Käufer dann derartig plattzumachen, kann doch wohl sicherlich kein ernsthaftes Geschäftsmodell sein.

    Man fragt sich daher ganz ernsthaft, wohin diese plumpe und dümmliche Hetze, Propaganda sowie die ganzen Lügen der deutschen Politik und Mainstream-Medien eigentlich führen sollen? ... Sinn macht dies doch jedenfall so oder so in gar keiner Weise mehr!

    Fakt ist doch jedenfalls. Griechenland wird im Euro und in der EU bleiben, auch schon weil die US-Regierung dies aus geostrategischen Gründen so will. Ob Griechenland selbst zu diese Frage eine eigene Wahl hat, dürfte daher schon ernsthaft bezweifelt werden. Dazu bedarf es für einen freiwilligen "Grexit", denn erzwungen kann dieser auf Grund der Vertragslage jedenfalls nicht, dass ganz massive Zugeständnisse von den Gläubigern und insbesondere der EZB gemacht werden müssen, wie etwa ein umfassender Schuldenschnitt und Stützung der dann vorhersehbar ganz massiv abwerten abwertenden Drachme.

    Die Schuldentragfähigkeit Griechenlands ist jedenfalls dauerhaft so nicht gegeben, dies hat mittlerweile selbst der IWF ganz deutlich zu erkennen gegeben. Es wird also mit Griechenland im Euro ein weiteres 3. Rettungspaket in Höhe von mindestens 50 Milliarden für die nächsten Jahre geben müssen, eher vermutlich mehr, eine Verlängerung und deutliche Erhöhung der ELA-Notfallkredite und dazuhin noch einen ganz deutlichen Schuldenschnitt.

    Man darf also ernshaft gespannt sein, bis diese Erkenntnis bei so manchem deutschen Politiker angekommen ist und wie man dies dann der deutschen Bevölkerung verkaufen will oder wird.

     

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 8th 2015 bearbeitet
     

    (8.7.2015) Schuldenschnitt, 3. Rettungspaket und Erhöhung der ELA-Notkredite!

    Die notwendige Vorgehensweise liegt doch vollständig auf der Hand...

    Man ist jedoch gerade wieder einmal vollständig fassunglos, wenn man liest, welche Forderungen der aktuelle EU-Gipfel hervorgebracht hat. Wieder wird einmal nachhaltig die Handlungsunfähigkeit und Ignoranz von Merkel, Schäuble und der gesamten EU-Politik. Weil eigentlich schon längstens klar sein müsste, dass gerade der IWF bei sämtlichen Expertisen und Prognosen der letzten Jahre in Bezug auf Griechenland stets vollständig in geradezu absurder Weise daneben lag, damit doch auch ein Fiasko für das Ansehen und die Reputaton der gesamten Troika vorliegt und die über fünf Jahre durchgeführte "Rettungspolitik" vollständig gescheitert ist. Und es stellt sich doch letztlich allenfalls noch die Frage, wo die Verantwortung derer bleibt, die die Kredite vergeben haben, wenn sich jetzt vollständig belegbar nachweisen lässte, dass diese hunderte Milliarde Euro an "Rettungsgelder" geradezu - offenbar vollständig unkontrolliert über Jahre hinweg - geradezu "verbrannt" wurden... Natürlich will man jetzt keine aktiven Entscheidungen mehr treffen, die noch weitere MIlliarden Steuergelder kosten, wenn man sich für die "Veruntreung" der bisherhigen Rettungsgelder noch nicht einmal verantwortet hat.

    (Deutsche Wirtschafttsnachrichten vom 8.7.2015) EU beschließt letzte Frist: Nur noch fünf Tage Zeit für Griechenland

    Der EU-Gipfel hat ein neues Ultimatum hervorgebracht: Bis Sonntag müssen Griechenland und die Troika eine Lösung gefunden haben. Dies sei die endgültige Frist.

    Dabei hatte der IWF doch längst eine einer neuerlichen Analyse festgestellt, dass Griechenland keinerlei Schuldentragfähtigkeit besitzt und ein drittes Rettungspaket geradezu unausweichlich sei..mit einem Finanzierungsbedarf von mindestens 50 Milliarden Euro!

    (Deutsche Wirtschafttsnachrichten vom 2.7.2015) Euro-Krise: IWF-Analyse zeigt Desaster von historischem Ausmaß

    Der IWF hat am Donnerstag eine neue Analyse der griechischen Wirtschaft vorgelegt. Die Zahlen sind in den vergangenen Monaten erhoben worden. Sie sind schockierend...

    Doch die nun vorliegenden Zahlen braucht man nicht mehr nach unten zu revidieren. Sie sind der glasklare Beleg, dass das sogenannte Rettungs-Programm für Griechenland grandios gescheitert ist.

    Der IWF hat nämlich bereits vor dem Zerwürfnis mit der griechischen Regierung ermittelt, dass Griechenland für sein drittes, sogenanntes „Hilfspaket“ weitere 52 Milliarden Euro benötigt hätte. Dieser Betrag ist das Ergebnis von nunmehr fast vier Jahren Bail-Out und nur zu einem Teil der Syriza-Regierung anzulasten. Die IWF-Fachleute haben nämlich für diese Analyse die Gesamtentwicklung der bisherigen Griechenland-Rettung evaluiert. Demnach bleibt das Land in allen Werten hinter den von den Euro-Rettern erhofften Werten zurück. Zusätzlich zu den 52 Milliarden Euro kommt nach dem Zerwürfnis ein aktueller Finanzbedarf von 16,3 Milliarden Euro...

    Offenbar sieht wenigsten US-Präsident Obama doch noch klarer als Merkel, Schäuble und der Rest dieser vollständig ignoranten und handlungsunfähigen EU-Politiker...

    (Deutsche Wirtschaftnachrichten vom 7.7.2015) Obama greift in Euro-Krise ein: USA wollen Einigung mit Griechenland

    ...Obama habe demnach Merkel gesagt, er erwarte, dass eine Lösung gefunden werden könne, um die Schuldentragfähigkeit Griechenlands innerhalb der Euro-Zone sicherzustellen. Das bedeutet, Obama unterstütz den IWF und erwartet einen Schuldenschnitt.

    Obama habe seinerseits die Hoffnung geäußert, dass die Verhandlungen zwischen Athen und den Gläubigern bald erfolgreich abgeschlossen werden könnten, damit Griechenland im Euroraum bleibt. Tsipras hatte am Vormittag mit US-Finanzminister Jacob Lew über das gleiche Thema gesprochen. Obama will seit langem eine Lösung. Der Verbleib Griechenlands in der Eurozone ist für die Amerikaner wegen der geopolitischen Lage essentiell. Griechenland hat den höchsten prozentualen Militär-Haushalt von allen Nato-Staaten und ist daher ein wichtiges Mitglied des Militärbündnisses.

    Literatur

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/07/07/tusk-nur-noch-fuenf-tage-zeit-fuer-kompromiss/

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/07/02/euro-krise-iwf-analyse-zeigt-desaster-von-historischem-ausmass/

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/07/07/obama-greift-in-die-euro-krise-ein-usa-wollen-einigung/

     

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 9th 2015 bearbeitet
     

    (9.7.2015) Deutsche Politik... ad absurdum!

    Diese Ignoranz, Handlungsunfähigkeit und dazuhin noch massive Unmenschlichkeit der deutschen Politik in der Griechenland-Krise ist wohl kaum ernsthaft noch zu toppen!

    Zunächst hört man Tag für Tag von der deutschen Politik, man wolle oder müsse unbedingt den IWF zur Bewältigung der Griechenland-Krise mit im Boot haben und halten. Doch dann verkündet dieser lauthals, die Tragfähigkeit der griechischen Schulden sei entgegen aller (eigener) Prognosen und trotz aller Rettungspakete doch nicht gegeben und man kündigt an, dass es doch einen wie auch immer bezeichneten Schuldenschnitt geben müsse... Doch eben das wollen Merkel, Schäuble und Konsorten ganz offenbar mittlerweile nicht mehr, jedenfalls wird dies derzeitig gebetsmühlenartig tagtäglich dem Volk verkündet. - Wie lange muss man eigentlich diese politische Laienschauspieler-Truppe noch ertragen?

    (SZ vom 8.7.2015) Selbst der IWF empfiehlt nun einen Schuldenschnitt

    Der IWF ist per Statut verpflichtet, technische Analysen anzustellen, bevor er Kredite bewilligt. Die politisch ungefärbte Expertise war es, die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Mai 2010 bei Beginn der Griechen-Krise dazu bewogen hatte, darauf zu dringen, dass europäisches Geld ohne die Mitsprache des IWF nicht fließt....

    Der Länderbericht Nr. 165 bringt die Union nun in eine heikle Lage. Denn dort ist nachzulesen, dass die Annahme, wonach Athen seine Schulden bis 2022 auf deutlich unter 110 Prozent reduzieren könnte, bezogen auf das Bruttosozialprodukt, hinfällig ist. Unter Punkt 6 heißt es: Selbst mit Hilfskrediten bis 2018 bliebe der Schuldenberg zu hoch. "EinSchuldenerlass in Höhe von 30 Prozent des Bruttosozialproduktes ist nötig", sagen nun auch die IWF-Experten, auf die Berlin bisher so gesetzt hat.Ganz am Ende weist der IWF darauf hin, dass bei ganz vorsichtigen Schätzungen des Wirtschaftswachstums noch viel mehr zu tun ist: 50 Milliarden Euro Kredite, festgeschriebene Zinsen bis 2020, doppelt so lange Tilgungsfristen für die Kredite wie bisher und ein Schuldenerlass von 53,1 Milliarden Euro. Genau das will Berlin allerdings keinesfalls.

    Literatur

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schuldenerlass-fuer-griechenland-ein-ziemlich-guter-schnitt-1.2554792-2

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 13th 2015 bearbeitet
     

    (13.7.2015) "Das ist ein deutsches Diktat. Heute ist die europäische Idee gestorben"

    Wenn sich diese vollständig gnadenlosen und inhumanen Forderungen, selbst gegen EZB und IWF!! (man muss sich dies ernsthaft einmal vorstellen) von Merkel und Schäuble durchsetzen, dann wäre das Schicksal Griechenland sicherlich nicht mehr absehbar und auf dem Weg in ein Dritte-Welt-Land. Man fragt sich wiederholt ernsthaft, was kann deutsche Politiker, nach allden geschichtlichen Zusammenhängen und Folgen der letzten Jahrzehnte zu einer derartigen brutalen und gnadenlosen Haltung treiben - und dies auch noch mit Zustimmung der eigenen Parteigänger in CDU und CSU als auch der sozialdemokratischen Partei (SPD). Ein umfassender und ganz aktueller Bericht ist diesbezüglich von Eric Bonse zu lesen.

    (Heise-Telepolis vom 13.7.2015) Protektorat oder Rauswurf?

    Griechenland stand beim Euro-Krisengipfel in Brüssel unter extremem Druck aus Deutschland. Nun droht der Grexit - oder die Kapitulation

    Gianis Varoufakis hat alles kommen sehen. Schon am Freitag warnte der griechische Ex-Finanzminister im britischen Guardian, Wolfgang Schäuble lege es auf einen Grexit an, um Frankreich und die gesamte Eurozone zu disziplinieren. In den deutschen Leitmedien wurde er dafür wie üblich als schlechter Verlierer abgewatscht. Ernst nahm ihn keiner.

    Doch der Krisenmarathon, der am Samstag um 15 Uhr in Brüssel begann, bestätige Varoufakis' schlimmste Befürchtungen. Schon bei der Ankunft in der Eurogruppe, die die finale Griechenland-Entscheidung vorbereiten sollte, wischte Schäuble Griechenlands Kernforderung mit einer abfälligen Handbewegung vom Tisch: Einen Schuldenschnitt werde es nicht geben, das verstoße gegen EU-Recht.

    Dabei hatte die von Schäuble sonst so geschätzte Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds gerade erst einen Bericht vorgelegt, der die griechischen Pläne als gute Grundlage für Verhandlungen über ein drittes Reformprogramm bezeichnete. Und ein Rechtsurteil über den Schuldenschnitt steht Schäuble gar nicht zu: Nicht das Bundesfinanzministerium (BMF), sondern die EU-Kommission in Brüssel ist Hüterin über die europäischen Verträge.

    Egal, Schäuble weiß alles besser... In einem Positionspapier hatte das BMF gefordert, Griechenland entweder unter europäische Vormundschaft mit einem Treuhand-Fonds zu stellen - oder es für fünf Jahre aus dem Euro zu werfen. Dieses Papier, das offenbar mit Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Boss Sigmar Gabriel abgestimmt war, sollte fortan die Brüsseler Krisensitzungen beherrschen.

    ...Die Stimmung war schnell so aufgeheizt, dass Schäuble sogar mit EZB-Präsident Mario Draghi aneinander geriet: "Ich bin doch nicht blöd", soll der Deutsche wie im Werbefilm gerufen haben, bevor Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem (ein Schäuble-Vertrauter) die Sitzung entnervt abbrach.

    Damit waren die Fronten klar: Deutschland führte die Hardliner, Frankreich und die EZB ergriffen Partei für Griechenland. Wegen der verhärteten Fronten fand die Eurogruppe auch in der nächsten Sitzung am Sonntag nicht zu einer gemeinsamen Empfehlung. Doch Schäuble hatte sein Ziel erreicht: Griechenland war in die Defensive geraten, die Falken hatten eine regelrechte Giftliste voller neuer Auflagen und Ultimaten formuliert, die dann an die Staats- und Regierungschefs weitergereicht wurde.

    ..Das Gipfeltreffen selbst verlief dann nach dem bekannten Muster. Kurz nach der Eröffnung gab es gleich eine Unterbrechung, weil sich Tsipras, Merkel, Hollande und Gipfelchef Donald Tusk in einer Viererrunde trafen. Doch dabei geriet Tsipras nur noch mehr unter Druck. Der Syriza-Politiker sei einem "mentalen Waterboarding" unterzogen worden, gab ein namentlich nicht genannter hoher Regierungsbeamter hinterher laut "Guardian" zu Protokoll.

    In der Zwischenzeit nahm das Diktat aus Deutschland Gestalt an. Für den geschätzten Finanzbedarf von 86 Milliarden Euro solle Griechenland "drei Jahre unter Vormundschaft", fasste eine Nachrichtenagentur den Forderungskatalog zusammen. Auf dem Programm stehen unter anderem weitere Rentenkürzungen, eine massive Erhöhung der Mehrwertsteuer, automatische Budgetkürzungen bei Verstoß gegen die Brüsseler bzw. Berliner Sparvorgaben sowie eine neue neoliberale Arbeitsmarktreform, die Tarifverträge aushebeln und Massenentlassungen ermöglichen soll....

    ..Auch Hollande hatte dem Durchmarsch der Deutschen nicht mehr viel entgegenzusetzen...

    Wie der Streit ausgehen würde, war zunächst unklar. Klar war nur, dass der deutsche Durchmarsch nicht ohne Folgen bleiben würde. Die Fassade der deutsch-französischen Einheit ist zerbrochen, Griechenland und sein wendiger Premier Tsipras wurden ein weiteres Mal gedemütigt und erpresst. "Europa nimmt Rache an Tsipras", titelt der Guardian in seiner Montags-Ausgabe. "Welches Spiel spielt Deutschland", fragt die französische Libération" Offenbar gehe es Merkel und Schäuble darum, die griechische Linksregierung zu stürzen, mutmaßten Journalisten am Rande des Gipfeltreffen.

    Sogar im Europaparlament wird manch einem unheimlich zumute. Man dürfe die Griechen nicht weiter demütigen, fordert Parlamentspräsident Martin Schulz, der in deutschen Talkshows zuletzt durch Tsipras-Bashing aufgefallen war. "Faktisch will die Eurogruppe Griechenland in ein Protektorat der Eurozone umwandeln", kritisiert der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold, der Schäubles Forderungsliste auf seiner Website geleakt hatte. Sein belgischer Parteifreund Philippe Lamberts urteilt noch härter: "Das ist ein deutsches Diktat. Heute ist die europäische Idee gestorben." Varoufakis hätte es wohl weniger pathetisch formuliert. Doch im Kern hatte er genau das schon am Freitag vorausgesehen.

    (Deutsche Welle vom 8.7.2015) Deutschland ist das Problem

    "Macht Merkel Griechenland zu einem Pariastaat?", fragt das Magazin "Newsweek" mit provokanter Schärfe. Und CNBC sagt voraus: "Deutschland wird der Verlierer sein, nicht Griechenland." Der US-Fernsehsender ergänzt seine düstere Vorhersage mit einem aktuellen Statement des Nobelpreisträgers Joseph E. Stiglitz: "Deutschland ist das Problem, nicht Griechenland“. Die deutschlandkritischen Stimmen in den amerikanischen Medien sind im Verlauf der Griechenland-Krise immer lauter geworden. "Deutsche Macht polarisiert Europa", titelt das einflussreiche "Wall Street Journal" am vergangenen Dienstag und zitiert in seinem Artikel den spanischen Austeritätskritiker Pablo Iglesias mit dem Satz "Wir wollen nicht deutsche Kolonie werden".

    Und Paul Krugman, der einflussreiche linke Kolumnist der "New York Times", fordert in einem Kommentar mit dramatischem Impetus: "Stoppt das Bluten!" Krugman vergleicht Angela Merkel und die europäischen Regierungschefs mit mittelalterlichen Medizinmännern, die den Patienten Griechenland zur Ader lassen. Doch statt Gesundung stelle sich nur weiteres Siechtum ein.

    Ähnlich scharfe Töne kommen von der Wall Street. Im Finanzblog "Zero Hedge", der die Entwicklungen an der Börse analysiert, wird Merkel mit den Verträgen von Versailles in Verbindung gebracht. Ihr gehe es vor allem um deutsche Hegemonie, liest man...

    Literatur

    http://www.heise.de/tp/artikel/45/45425/1.html

    http://www.dw.com/de/deutschland-ist-das-problem/a-18571750

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 13th 2015 bearbeitet
     

    (14.7.2015) Varoufakis stellt einiges klar!

    Die Frage ist: Warum verweigert sich Deutschlands Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble einer sinnvollen, milden und für beide Seiten vorteiliger Schuldenumstrukturierung. Der folgende Kommentar, der heute im Guardian veröffentlicht wird, bietet meine Antwort an…

    2010 wurde der griechische Staat insolvent. Es gab 2 Optionen mit dem Erhalt der Mitgliedschaft in der Eurozone, die sich wie von selbst präsentierten: die vernünftige, die jeder anständige Bänker vorschlagen würden, die Umstrukturierung der Schulden und eine Reform der Wirtschaft und die tödliche, die Erweiterung der Kredite eines bankrotten Unternehmens, während man vorgibt, dass es solvent ist.

    Offiziell wählte Europa die zweite Möglichkeit, indem sie die Rettung der französischen und deutschen Banken, die den griechischen Schulden ausgesetzt waren, über die Rettung von Griechenlands sozioökonomischer Lebensfähigkeit stellten. Eine Schuldenumstrukturierung hätte Verluste für Bänker und ihre griechischen Schuldenbeständen beinhaltet. Es wurde eifrig vermieden den Parlamenten zu beichten, dass die Steuerzahler wieder für die Banken zahlen müssten, durch weitere nicht nachhaltige Kredite, präsentierten die EU-Beamten die Insolvenz der griechischen Regierung als Liquiditätsproblem und begründeten das “Rettungsprogramm” als einen Fall von “Solidarität” mit den Griechen…

    Basierend auf den monatelangen Verhandlungen ist meine Überzeugung, dass der deutsche Finanzminister Griechenland aus der einen Währung schubsen möchte um gottesfürchtige Angst in die Franzosen zu pflanzen und sie sein Konzept der disziplinierten Eurozone übernehmen.

    Dazu passend auch...

    Heise-Telepolis vom 11.7.2015) IWF gesteht: Statt Griechenland wurden Banken gerettet

    IWF-Chefökonom Olivier Blanchard gibt zu, dass zwei Drittel der "Rettungsgelder" an internationale Gläubiger gegangen sind

    Wortreich und in vielen Sprachen gleichzeitig versucht sich der Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) für den Kurs zu verteidigen, der in Griechenland unter Führung des IWF gefahren wurde.ll

    "Die Finanzierung für Griechenland wurde benutzt, um ausländische Banken zu bezahlen", fasst er die Kritik an der "Rettung" richtig zusammen, die immer wieder geübt wurde. Er versucht aber in seinen Ausführungenherauszustellen, dass die Griechen irgendwie auch von der "Rettung" profitiert haben sollen. "Die Rettung hat nicht nur ausländische Banken begünstigt, sondern ein Drittel der Schulden befanden sich in Händen von griechischen Banken und Finanzinstituten, womit auch die griechischen Haushalte und Sparer begünstigt wurden."

    Er räumt damit also eines ohne Umschweife ein: Mit wenigstens zwei Dritteln der Hilfsgelder, mit denen angeblich Griechenland gerettet worden sein soll, wurden internationale Gläubiger ausgezahlt und private Schulden durch Schulden an öffentliche Kreditnehmer ersetzt. Und es ist bekannt, dass davon ein großer Teil an deutsche und französische Institute geflossen ist. So blieb also bestenfalls ein Drittel für Griechenland, mit dem wiederum vor allem griechische Banken gerettet wurden. Man kann sich deshalb ausrechnen, dass bisherige zirkulierende Zahlen korrekt sind, wonach nur etwa 10% der Hilfsgelder bei der Regierung angekommen ist. Was davon bei der Bevölkerung ankam, darf angesichts der verbreiteten Korruption in konservativen und sozialdemokratischen Vorgängerregierungen auch gefragt werden.

    Und Blanchard geht noch weiter...

    Literatur

    http://www.theguardian.com/commentisfree/2015/jul/10/germany-greek-pain-debt-relief-grexit

    http://www.heise.de/tp/news/IWF-gesteht-Statt-Griechenland-wurden-Banken-gerettet-2748442.html

     

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 14th 2015 bearbeitet
     

    (14.7.2015) Das ist ein Staatsstreich!

    Die humanitäre Katastrophe wird durch eine geradezu unmenschliche Erpressung noch weiter verschärft!

    Man muss sich ernsthaft fragen, ob die Masse der Bevölkerung bei all der gleichgeschalteten Lügen- und Propagandaarien der Mainstream-Medien und des Staatsfernsehens überhaupt die historische Dimension des Geschehens wirklich begreift? Wir erleben gerade das Ende eines demokratischen Europas. Merkel, Schäuble und dazuhin noch ein sog. Vize-Kanzler haben eine demokratisch gewählte R eierung eines EU-Mitgliedlandes durch brutale Erpressung geradezu in die Knie gezwungen...

    Obwohl Tsipras vor der nackten Gewalt durch die Androhung eines Grexits bedingungslos kapitulieren musste und letztendlich die gnadenlose neoliberale Austeritätspolitik fortsetzen und der griechischen Bevölkerung neue Entbehrungen aufbürden muss, ist ihm kein Vorwurf zu machen. Ein Grexit hätte vermutlich Griechenland ins Chaos gestürzt und die Not der Bevölkerung noch einmal potenziert. Für keine Regierung, die noch einen Funken Verantwortungsgefühl gegenüber den Bürgern ihres Landes besitzt, hätte dies eine Option sein können. Man darf gespannt sein, wer nun aus den korrupten Reihen der PASOK und ND den Kollaborateur für Merkel und Schäuble spielen wird...

    Der Hass und die Hetze, die von den deutschen Mainstream-Medien und Politikern in den letzten Wochen gegen Griechenland verbreitet wurde, hat jedes Maß überschritten und ist von einer völligen Kaltschnäuzigkeit speziell gegenüber dem Leid und der Not der griechischen Bevölkerung gekennzeichnet. Nicht minder erschütternd, dass die Mehrheit der Deutschen wieder einmal jenen widerspruchslos folgt, die Hass und Verachtung gegenüber anderen Nationen predigen. Ist Merkel und Schäuble samt ihrer willigen Erfüllungsgehilfen überhaupt bewusst, was sie hier anrichten? Wer sich heute jedenfalls doch immer noch fragt, wie ein ganzes Volk zu Nazis, zu Helfern und zu Helfershelfern von Nazis werden konnte, bekommt zurzeit instruktiven Geschichtsunterricht.

    Die diesbezüglichen Kommentar von Heiner Flassbeck und Nobelpreisträger Paul Krugman sind jedenfalls auch ganz eindeutig...

    (flassbeck-economics vom 13.7.2015) Was ist geschehen?

    Viele Leser fragen entsetzt, was jetzt geschehen ist, vor allem stellt sich die Frage, wie der griechische Ministerpräsident diesem Paket zustimmen konnte. Nun ja, wenn jemand eine Pistole am Kopf hat, ist er zu manchem bereit. Ich vermute, in Griechenland gibt es unglaublich viel Wut, aber am Ende wird auch das griechische Parlament seiner eigenen Entmachtung zustimmen. Wir haben das schon einmal erlebt, das Land hieß Zypern und die Ergebnisse waren genauso katastrophal.

    Griechenland hat gar keine Wahl, weil es den Grexit als einfache Alternative nicht gibt, weil die Regierung kein Mandat dazu hat und weil sich kein neugewählter junger Regierungschef dieser Welt vorstellen kann, die Verantwortung für eine solche Operation zu übernehmen.

    Ich will nicht auf Einzelheiten dieses Paktes eingehen. Es lohnt sich nicht, weil es um Einzelheiten einfach nicht geht. Dieses Paket, wie alle in den letzten fünf Monaten diskutierten Pakete, ist ein Restriktionspaket. Es wird die griechische Wirtschaft weiter abstürzen lassen, wenn nicht ein Wunder geschieht. Man wird dann in ein paar Monaten das Gleiche diskutieren, nämlich warum Griechenland nicht genug tut, um aus der Misere zu kommen. Und entsprechend der Verteilung der Macht in der Politik und den Medien wird es dann wieder so sein, dass man Griechenland für das Scheitern verantwortlich machen wird...

    Gerade an diesen extrem zähen, aber im Kern unsinnigen Verhandlungen sieht man wieder, dass dieses Europa selbst in der größten Krise seiner Geschichte vollkommen unfähig ist, umzudenken und Alternativen zu erwägen. Von Anfang an war das Restriktionspaket unumstritten, nur die Härte der Daumenschrauben wurde vielleicht ein wenig gelockert. Dass man einen ganz anderen Ansatz braucht, um erfolgreich zu sein, kommt niemandem in den Sinn.

    Was wir gestern und heute erlebt haben, ist in der Tat ein historischer Moment. Man wird sich an diesen Tag erinnern als den Tag, an dem eine bornierte und starrsinnige deutsche Politik in einer Weise Europa aufgezwungen wurde, die so viel Widerstand bei den Menschen in Europa und in der ganze Welt hervorgerufen hat, dass Europa von da an nur noch eine Schimäre war. Eine Vorstellung nämlich von der Zusammenarbeit der Völker und einem fairen Umgang untereinander, die im Würgegriff der deutschen Restriktionspolitik erstickt wurde.

    (The New York Times vom 12.7.2015) Killing the European Project

    Angenommen, man hielte Tsipras fu?r eine inkompetente Flasche. Angenommen, man wolle Syriza gerne entmachtet sehen. Selbst angenommen, man begru?ßte die Aussicht, die ärgerlichen Griechen aus dem Euro drängen zu können. Selbst wenn all das zuträfe, wäre die Liste der Forderungen der Eurogruppe ein Wahnsinn. Der aktuelle Hashtag ThisIsACoup sieht das ganz richtig. Das ist jenseits von harsch und die reine Rachsucht, eine totale Zerstörung der nationalen Hoheitsgewalt ohne jede Hoffnung auf Erleichterung. Das mag als Angebot gedacht sein, das Griechenland nicht annehmen kann, aber auch so ist es ein grotesker Verrat an allem, wofu?r das europäische Projekt angeblich stehen sollte.
    Gibt es noch irgendetwas, das Europa vom Rand des Abgrunds retten kann? Es wird gemunkelt, dass Mario Draghi wieder etwas Vernunft in das Ganze zu bringen versucht, und dass Hollande endlich ein bisschen von dem Widerstand gegen Deutschlands moralstu?ckartige Wirtschaftspolitik aufbringt, den er bisher so sehr hat vermissen lassen. Aber ein Großteil des Schadens ist bereits angerichtet. Wer wird jetzt noch jemals wieder auf Deutschlands gute Absichten vertrauen?

    Literatur

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=26775#more-26775#

    http://www.flassbeck-economics.de/was-ist-geschehen/

    http://krugman.blogs.nytimes.com/2015/07/12/killing-the-european-project/?_r=0

     

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 16th 2015 bearbeitet
     

    (15.7.2015) Es ist wirklich doch sehr schön zu erleben, dass es offensichtlich noch hoch-anständige und moralisch-integere Menschen gibt, die diese demütigende und menschenunwürdige Situation, die in der Griechenland-Krise derzeitig abläuft, vollständig durchschauen und auch in derartig klare und eindrückliche Worte fassen können. Dank an Heiner Flassbeck, dass er die deutsche Übersetzung seiner indische Kollegin und Mit-Autorin eines seiner Bücker, Jayati Gosh, auf seiner Webseite eingestellt hat, die eine vernichtende Kritik zur deutschen Rolle bei der „Einigung“ vom Montag geschrieben. Selten, dass man vollumfänglich jedem einzelnen von Frau Gosh geschriebenen Wrtt derartig zustimmen kann.

    (flassbeck-economics vom 15.7.2015) Das gescheiterte Projekt Europas

    Es gibt das stereotype Bild von dem gewalttätigen Ehemann, der seine Frau verprügelt und sie nur noch gnadenloser schlägt, wenn sie zu protestieren wagt. Ein solches gewalttätiges Verhalten ist normalerweise ein Zeichen einer gescheiterten Beziehung, die nicht mehr durch das oberflächliche Verbinden der Wunden gerettet/geheilt werden kann.

    Es dreht einem den Magen um/ tut einem in der Seele weh, wenn man einen solchen Tyrannen in Aktion sieht. Aber die Welt hat die Verhandlungen in Europa über das Schicksal Griechenlands in der Eurozone mit der selben ekelerregenden Mischung aus Entsetzen und Ungläubigkeit verfolgt, als die Führer Deutschlands und anderer Länder sich in ähnlicher Weise aufführten.

    Das Ausmaß an Aggression, die streng strafenden Bedingungen, die für eine sehr unnachsichtige Rettung auferlegt wurden und die schreckliche Demütigung und der Schmerz, der dem griechischen Volk aufgezwungen wurde, können kaum mit rein wirtschaftlichen oder politischen Gründen erklärt werden. Es scheint, dass hier die tief sitzende Wut der EU-Führung über ein kleines Land zum Ausdruck kommt, das die Frechheit besaß, sein Volk zu befragen, anstatt sich unmittelbar den Befehlen zu beugen. Die Wut richtet sich auch gegen das griechische Volk, das es wagte, in einem Referendum gegen die Bedingungen eines Rettungspakets zu stimmen, das ihnen nur weitere Austerität, weniger Hoffnung und eine Fortsetzung des Leids in absehbarer Zukunft bringen sollte und ihnen nur so viel ließ, um weiterhin die Auslandsschulden zu bezahlen, von denen jeder weiß, dass sie letztlich unbezahlbar sind.

    Die Reaktion der EU bestand darin, den Willen der Griechen, wie er im Referendum zum Ausdruck gekommen war, zu ignorieren und ihnen für ihren Widerstand noch schlimmere Konditionen aufzubürden. Diese sind vielleicht die schrecklichsten und zutiefst demütigenden Bedingungen, die es je für eine europäische Nation in einer Nicht- Kriegssituation gab, für den zunehmend zweifelhaften Vorteil eines Verbleibs in der Eurozone.

    Griechenland würde zu einem wirtschaftlichen Protektorat, kaum mehr als eine Kolonie Deutschlands in der Eurozone. Es wird keine Kontrolle über seine Finanzpolitik haben, es wird gezwungen, wertvolle öffentliche Vermögenswerte zu verkaufen und damit weiter seine Gläubiger zu bezahlen. Es wird seine Entscheidungen, einige öffentlich Beschäftigte zu erhalten, zurücknehmen müssen (wie z.B. Reinigungskräfte und Sicherheitspersonal, die nun wieder gefeuert werden müssen). Es wird weiter die Renten der alten Menschen senken, die bereits einen Rückgang ihrer Einkommen um 40 Prozent hinnehmen mussten. Es wird die direkten Steuern erhöhen müssen und damit die Ärmsten treffen. Es wird die permanente Anwesenheit externer Herrscher in der Form des IWF hinnehmen müssen, die den Haushalt und die Handlungen der griechischen Regierung überwachen. Und das Ergebnis all dieser Austerität wird weitere Depression sein in einer Wirtschaft, die sich schon seit fünf Jahren in einer Abwärtsspirale befindet. Damit wird das Aufkommen rechtsgerichteter, fremdenfeindlicher Gruppierungen begünstigt. Dies ist wirklich eine verlängerte griechische Tragödie, und ein klares Ende ist nicht in Sicht/ohne Aussicht auf ein gutes Ende.

    EU-Politiker verweisen auf Länder wie Irland und Spanien oder sogar Lettland, als angebliche „Erfolgsbeispiele“ für Austerität, weil diese Länder die bittere Medizin geschluckt hätten und ihre Volkswirtschaften sich erholten. Das ist Unsinn. Keines dieser Länder musste ein so extremes Austeritätsprogramm durchmachen wie das, das Griechenland aufgezwungen wurde. Die vielgepriesene „Erholung“ erfolgt auf sehr niedrigem Einkommensniveau, das immer noch weit niedriger ist als vor fünf Jahren. Die Arbeitslosenquote ist in diesen Ländern weiterhin hoch, die Zahl der Beschäftigten (labour force numbers) sank, nachdem viele der Jungen, Besten und Klügsten ausgewandert sind. Diese Länder werden nur deshalb als Erfolge präsentiert, um für einen finanzgetriebenen Ansatz der Wirtschaftspolitik zu werben und um zu verschleiern, dass in der Eurozone der Versuch, aus der Stagnation herauszukommen, gescheitert ist.

    Die lautesten Stimmen in Europa gegen diesen Betrug am Volkswillen und die Klage, dass die EU inkompatibel mit der Demokratie sei, kommen heute von Parteien vom extrem rechten Flügel wie dem Front National in Frankreich, der UK Independent Party und der Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo in Italien. Die Parteien links von der Mitte sind zu sehr in das gescheiterte Europäische Projekt verwickelt um zu protestieren und progressivere Bewegungen wie Podemos in Spanien befinden sich in einem Schockzustand. Tatsächlich ist das Ziel, das Aufkommen von solchen progressiven Bewegungen zu verhindern, ein entscheidender Grund für die feindselige Haltung der EU gegenüber SYRIZA.

    Aber das Drama ist noch nicht vorüber: die Demütigung Griechenlands heute wird die europäischen Führer von morgen heimsuchen. Die Idee eines vereinten Europas ist zerstört und die Realität des Projekts wird offenkundig: die Interessen des Finanzkapitals, durchgesetzt von Deutschland, grundlegend antagonistisch zu Demokratie und sozialer Gerechtigkeit.

    Diese unglückliche europäische Ehe kann nicht fortbestehen. Die einzigen Fragen sind nun: Wie lange wird es dauern, bis das Scheitern eingestanden (explicit) wird? Wie viel Schmerz und Gewalt wird den Menschen in Europa noch zugefügt werden, bis es zum Zusammenbruch kommt? Und wie lange wird das Tyrannisieren der deutschen Regierung im Interesse des Finanzkapitals noch toleriert werden, von den Menschen in Europa und schließlich auch von den Menschen in Deutschland selbst?

    Literatur

    http://www.flassbeck-economics.de/the-failed-project-of-europe-jayati-gosh-zur-deutschen-rolle-in-europa/

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 19th 2015 bearbeitet
     

    (19.7.2015) Wie die Verelendung eines ganzen Landes billigend in Kauf genommen wird!

    Eine umfassende Erklärung über die geradezu unsägliche und unmenschliche Vorgehensweise der deutschen Politik gibt hier Albrecht Müller, Herausgeber der Nachdenkseiten, den ich mittlerweile äußerst schätzen gelernt habe. Selten dass es in diesem Land eine Menschen und dazuhin noch Ex-Politiker, gibt der durchgängig mit derartig klaren, nachvollziehbaren und in weiten Teilen auch hellsichtigen Worten seine Meinung zu den wichtigsten Themen und Problemen abgibt. Wie hier jedenfalls geradezu kaltschnäuzig und kaltherzig von weiten Teilen der deutschen Politik, Mainstream-Medien und offensichtlich auch der deutschen Bevölkerung eine sich stetig ausweitende humanitäre, gesellschaftliche und auch ökonomische Katastrophe billigend in Kauf genommen wird, die zudem sogar stetig immer weiter verschärt und verschlechtert wird, ist mittlerweile einfach nur nur noch unfassbar und unerträglich!

    (ver.di vom 17.7.2015) Das Lernziel: Nur nicht aufmucken! Euro-Europa nimmt die Verelendung eines ganzen Landes in Kauf

    Bei dem von Politik, Medien und Wirtschaft gigantisch inszenierten Streit um neue Finanzhilfen für die Gläubiger Griechenlands geht es gar nicht zuallererst um die Griechen. Es ging und geht der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, ihrer schwarz-roten Regierungskoalition und ihren europäischen Verbündeten nicht einmal um ein paar Milliarden mehr oder weniger. Es geht ihnen vor allem darum, dass die im Januar neu gewählte fortschrittliche und den Gewerkschaften verbundene Regierung Griechenlands auf gar keinen Fall irgendeinen Erfolg feiern durfte und darf. Deshalb haben die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) ihr weitaus mehr zugemutet als jeder früheren Regierung in Athen. Alexis Tsipras, Yanis Varoufakis und ihre "Koalition der radikalen Linken" (Syriza) durften und dürfen keinen Erfolg haben, weil dann sichtbar würde, dass es sehr wohl eine Alternative zu dem rund um den Globus dominierenden neoliberalen, marktradikalen Wirtschaftsmodell gibt, einer Ökonomie, die sämtliche Lebensbereiche der Menschen einer kapitalistischen Verwertungslogik unterwirft.

    Gewiss, Reformen sind nötig, in Griechenland wie aber auch in anderen Ländern, zum Beispiel bei uns. Steuerhinterziehung und Verschiebung von Gewinnen in Steueroasen wie Luxemburg sind keine Kavaliersdelikte. Da müssen Veränderungen her. Die Verwaltung muss funktionieren. Das ist klar, und das durften EU-Kommission, IWF und EZB auch in Griechenland einklagen. Aber im Visier ihrer Politik hatten und haben sie alles, was den abhängig Beschäftigten lieb und teuer sein muss: die solidarische Absicherung vor den Risiken von Alter und Krankheit zum Beispiel, also eine gesetzlich-staatliche Rentenversicherung und eine solidarische Krankenversicherung. Oder etwa die öffentliche staatliche oder kommunale Versorgung mit Gütern der Daseinsvorsorge - mit Wasser, Schienenverkehr, Luftverkehr, Krankenhäusern, Energie, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen.

    Merkel und Genossen zwingen die Griechen dazu, ihre öffentlichen Einrichtungen wie Flughäfen, Seehäfen und Energieversorger zu privatisieren bzw. in einen Fonds einzubringen, der organisiert ist wie die berüchtigte Treuhandanstalt in Deutschland. Das ist nichts anderes als Raub von Volkseigentum - zumal in einer wirtschaftlichen Lage, in der für das öffentliche Vermögen nur Dumpingpreise zu erzielen sind. Man nimmt dem griechischen Volk sein Vermögen weg, um es zu verschleudern an x-beliebige, ausschließlich an immer mehr Rendite interessierte Finanzinvestoren aus der kapitalistischen Welt. Wie seinerzeit die Treuhandanstalt in Deutschland.

    Noch etwas verordnet Euro-Europa den Griechen: Ihre Löhne sollen noch weiter sinken, als sie es ohnehin schon sind. Und dann sollen die Geringverdiener auch noch über eine erhöhte Mehrwertsteuer den Staatshaushalt sanieren: nackte Interessenpolitik derer da oben gegen die hier unten. Und über alledem schwebt stets die Warnung an alle Menschen in Europa, die von abhängiger Arbeit leben müssen: Wer aufbegehrt, wer falsch wählt, etwa gar linksradikal, der wird das zu büßen haben. Damit niemand auf die Idee kommt, es könnte eine Alternative zur neoliberal-marktradikalen Gestaltung des Gemeinwesens geben.

    Es ist gar nicht zu bestreiten, dass Europa Griechenland zu viel an Finanzhilfen und Krediten gegeben hat, so viel, dass sie kaum jemals zurückgezahlt werden können. Und Griechenland hat das Geld angenommen. Aber wenn überhaupt, dann können die Hellenen nur zurückzahlen, wenn Europa sie produzieren lässt, etwa auch Leistungen des Tourismusgewerbes, wenn die Menschen Arbeit und die Selbstständigen und Unternehmen Aufträge haben, wenn die Wirtschaft brummt. Genau das aber haben die "Institutionen" unter deutscher Führung seit Beginn der Krise 2010 verhindert und mit ihrer Austeritäts-, also Sparpolitik die Wirtschaft Griechenlands in die Knie gezwungen. So wächst keine Beschäftigung, und wer in eine Krise hinein spart, der spart am Ende weniger, als er - unter anderen Bedingungen - sparen könnte.

    Deprimierend bei alledem ist die Kaltschnäuzigkeit, mit der europaweit die Eliten in Politik, Medien und Wirtschaft und auch große Teile der Bevölkerung das Elend, das die geschilderte Politik über die Mehrheit unserer griechischen Mitbürger/innen gebracht hat, billigend in Kauf nehmen und sehenden Auges auch noch verschärfen: 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, drei Millionen Menschen ohne Krankenversicherung, Kinder und Rentner, die sich aus Mülltonnen ernähren, all das bis hin zu Hunger, Krankheit und Tod inklusive einer rasant steigenden Zahl an Selbsttötungen.

    Literatur

    http://publik.verdi.de/2015/ausgabe-05/gesellschaft/meinung/seite-15/A2

    •  
      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJul 21st 2015 bearbeitet
     

    (20.7.2015) Ein intellektueller Supergau!

    Griechenland ist selbst schuld an seiner Misere? Diese These wird ja regelmäßig von der deutschen Politik und den Mainstream-Medien in der Öffentlichkeit verbreitet. Ökonom Stephan Schulmeister, der Wirtschaftsforscher am renommierten Wifo-Institut in Wien war, widerspricht hier vollständig zu Recht - die EU-Gläubiger wollten nur von eigenen Problemen ablenken und Griechenland wird so zum Sündenbock gemacht. Absurde hunderte milliardenschwere Rettungsprogramme durch eine vollständig ignorante Politik, die überwiegend jedoch dann nur den Banken zugute kamen, verschlechterten die Situation dann letztlich noch immer weiter und die Not der Menschen wird zunehmend weiter vergrößert. Erschütternd jedenfalls, dass diese geradezu ignorante und inhumane Politik jedenfalls in Deutschland ganz offenbar so rein gar niemanden interessiert und sogar offenbar von einer Mehrheit der Bevölkerung noch unterstützt und gefördert wird.

    (SZ vom 18.7.2015) "Griechenland ist ein Sündenbock

    ....Natürlich ist es legitim, zu verlangen, dass Schulden zurückbezahlt werden. Doch zum Schuldenmachen gehören zwei: Einer, der die Kredite aufnimmt, und einer, der sie gibt. In einem ökonomischen System entspricht jedem Defizit ein Überschuss - das nicht zu bedenken ist ein Fehler der Politik und der Wirtschaftswissenschaften. Zu sagen: "Wer ein Defizit hat, ist schuld" ist ein intellektueller Super-Gau.

    Im konkreten Fall ist die Situation schnell erklärt. Deutschland hatte zwischen 2000 und 2007 die schwierigste Phase der Nachkriegszeit. Fünf Millionen Arbeitslose! In dieser schwierigen Zeit wurde die deutsche Wirtschaft gestützt, weil die Länder Südeuropas, neben Griechenland auch Portugal, Spanien und Italien, ihre Importe deutlich ausgeweitet haben. Vor allem die deutsche Wirtschaft hat davon profitiert, dass die Südeuropäer über ihre Verhältnisse gelebt haben.

    Wer hätte die Gefahren dieser ungleichen Beziehung erkennen müssen?

    Wenn eine Gruppe beschuldigt werden kann, sind es die Wirtschaftswissenschaftler - jene, die gut bezahlt werden, um Systeme zu analysieren. Genau das tun sie aber selten. Sie haben nur die Symptome der Krankheit im Blick und suchen nicht nach den tieferen Ursachen - das Ergebnis davon ist Unsinn wie: "Wer Schulden hat, ist schuld", "Wer ein Defizit hat, muss sparen", "Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, sind die Löhne zu hoch". Die Realität ist komplexer.

    Griechenland hat gewaltige Strukturprobleme, doch mit der Katastrophe nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 haben die so gut wie nichts zu tun. Das zeigt die Empirie: Wenn man sich die Entwicklung seit den 1950er Jahren anschaut, also immerhin 65 Jahre, kann man feststellen, dass die griechische Wirtschaft 58 Jahre deutlich schneller gewachsen ist als etwa die deutsche Wirtschaft. Und das trotz Korruption und Klientelismus in Griechenland. Das bedeutet, dass wir die Ursache der Krise woanders suchen müssen.

    Nehmen wir das Beispiel der Beamten: In Griechenland gibt es übermäßig viele Staatsdiener. Das ist eindeutig eine Folge des korrupten Systems. Doch in dieser Situation Hunderttausende Beamte zu entlassen, um einen Teil des Strukturproblems zu lösen, hat genau den gegenteiligen Effekt: Es stürzt ein Land in die Depression - noch mehr Leute sind ohne Arbeit, die Nachfrage sinkt, Unsicherheit macht sich breit und die Krise verschärft sich.

    Aber man muss auch sehen, dass die Staatsschulden in sämtlichen europäischen Ländern seit mindestens 30 Jahren steigen. Wenn 28 Länder ihre Schulden erhöhen, dann gibt es ein Land, in dem sie am schnellsten steigen. Daraus aber jetzt denjenigen zu machen, bei dem die Hauptschuld liegt, dient nur dazu, das eigene Gewissen zu entlasten - Griechenland ist ein klassischer Sündenbock, wie er im Alten Testament beschrieben wird. Man schickt das Land in die Wüste, lässt es im Stich, ob mit oder ohne Euro. Was die vermeintlichen Rettungsmaßnahmen bewirken werden, ist eine weitere Verschlechterung - daran besteht überhaupt kein Zweifel.

    ...Das ist eine verzerrte Darstellung. In Spanien und Portugal sind die Staatsausgaben zwischen 2008 und 2015 gestiegen, gesunken sind sie nur in Griechenland. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Arbeitslosen in Griechenland sehr viel stärker gestiegen als den Vergleichsländern. Empirisch besteht da ein Zusammenhang: Je mehr gespart wurde, desto mehr hat sich die Lage verschlechtert. Und Griechenland bekam eine Sonderbehandlung, das radikalse Sparprogramma der Geschichte der europäischen Währungsunion.

    Die Not der Menschen wird sich vergrößern. Aber das ist der Politik in Deutschland und auch in anderen Ländern egal. Das erschüttert mich persönlich sehr. Es interessiert niemanden, dass Millionen Menschen in einem europäischen Land keine Krankenversicherung mehr haben. So zerstört sich das europäische Sozialmodell langsam selbst - was ja letztlich Ziel neoliberaler wirtschaftswissenschaftlicher Theorien gewesen ist. Sie hatten immer den Zweck, den Sozialstaat zu beseitigen und die Gewerkschaften zu entmachten. Und sie verfolgten diese Intentionen durchaus offen. Diese Theorien sind sozusagen Teil eines Krieges, der so lange fortgeführt werden wird, bis er in eine allgemeine gesellschaftliche Krise mündet - und das wird der Fall sein...

    Literatur

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftsforscher-schulmeister-ueber-schuldenkrise-griechenland-ist-ein-suendenbock-1.2568753