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      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeDec 16th 2014 bearbeitet
     

    (16.12.2014) Wie der Placebo- und Selbstheilungseffekt geradezu missbräuchlich eingesetzt wird

    Es gibt drei Hauptgründe, dass ein Patient sich möglicherweise besser fühlt, nachdem er mit einem Medikament behandelt wurde: die Wirkung des Mittels, der Placebo- und der Selbstheilungseffekt bzw. ganz natürliche (selbstlimitierende) Krankheitsverlauf.

    Wenn ein Allgemeinarzt depressive Patienten sechs Wochen lang mit Antidepressiva behandelt, geht es etwas 60 Prozent von ihnen besser. Das sieht nach einer guten Quote aus, aber wenn Patienten mit einem Placebo gehandelt werden, das wie das aktive Medikament aussieht, fühlen sich 50 % von Ihnen besser. - Es stellt sich dabei die Frage, ob es sich bei diesem Effekt tatsächlich um eine Placebo-Wirkung handelt? Wenn Patienten nämlich gar nicht behandelt werden, sondern diese nach 6 Wochen einfach nur untersucht werden, geht es ebenfalls von ihnen besser. Man spricht hier von Spntanremission einer Krankheit oder deren natürlichem Verlauf.

    Prof. Gotzsche beschreibt eine ganz ausführliche Datenlage, in der er belegt, dass Placebos im Allgemeinen keine nennenswerte klinische Wirkung haben. Jedoch bestätigt er ebenfalls, dass es bei subjektiven Einschätzunge wie Stimmung und Schmerzen schon zu entsprechenden Effekten kommen kann.

    Problem dabei ist jedoch, dass durch eine subjektive Verzerrung sowohl der Patienten als auch der Ärzte, die als Beobachter die Wirkung eines Medikamentes beschreiben sollen, aus einem völlig unwirksamen Präparat zu einem scheinbar ziemlich wirksamen werden kann. Dieser Befund ist kann sich jedoch für den Patienten als bedeutsam erweisen, weil die meisten Medikamente zumindest klar erkennbare Nebenwirkungen besitzen, jedoch allenfalls eine subjektive Besserung bewirken, jedoch keine tatsächliche oder allenfalls sehr geringe objektivierbare und auch klinische relevante Wirkung erzielt wird.

    Die Ergebnisse der Behandlung von Krankheiten, die lediglich subjektiver Natur sind, sind zahlreich wie zum Beispiel Schwere, Stärke der Ausmaß einer Depression, der Angst, der Demenz, der Schmerzen, der Lebensqualität, der funktionalen Fähigkeiten, der Übelkeit, der Schlafstörungen des Hustens oder der Atemnot.

    Das Schlimme daran ist, dass alle Medikamente schädliche Wirkungen haben, während viele objektiv unwirksam sind. Es kann daher sehr vielen Patienten geschadet werden, weil häufig selbst randomisierte Studien letztlich keine tatsächliche Aussage darüber erlauben, welches Medikament tatsächlich wirkt und welches nicht.

    Jedoch arbeitet jeder Arzt bewusst oder unbewusst mit Placebos. Daher gibt es ja auch zahlreiche insbesondere alternativ-medizisch tätige Menschen wie Heilpraktiker etc., die ausschlich im Rahmen alternativer Heilmethoden wie der insbesondere Homöopathie auf die Placebo-Wirkung oder alternativ die Selbstheilungskräfte des Patienten setzen. Darüberhinaus sind dauerhafte Heilungserfolge durch Methoden der alternativen Methoden insbesondere bei Krankheiten mit ernsthafter klinischer Symptomatik jedoch allenfalls ganz seltene Ausnahmen. Und bei den wenigen Malen, wo sie eintreten, ist zudem zu bedenken, dass es selbst bei schweren Krankheiten auch seltene Fälle einer Spontanheilung beobachtet werden können. Es gibt immer wieder Versuche, solche alternativen Heilerfolge im Rahmen kontrollierter Studien zum Placeboeffekt zu testen. Dabei geling es jedoch so gut wie nie, eine tatsächliche Wirksamkeit zu belegen.

    Es ist jedenfalls sicherlich festzuhalten, wenn ein Arzt tatsächlich auch auf den auschließlichen Placebo- bzw. Selbstheilungseffekt setzen würde, dies sicherlich mit nebenwirkungsfreien Medikamenten der Homöopathie sinnvoller wäre als mit Medikamenten mit nachgewiesener pharmakologischer Wirkung, wie dies tatsächlich auch noch von Psychiatern bei der Behandlung der Depression derartig bestätigt wird. Man sollte jedoch annehmen, dass allgemeiner medizinischer Konsensus sein sollte, dem Patienten nicht ernsthaft schaden zu wollen ("nihil nocere") und es daher eigentlich auch klar sein sollte, dass es wenig sinnig ist, Medikamente mit potenziell gefährlichen Nebenwirkungen als Placebos einzusetzen.

    Weitere Möglichkeit, die Erfolge alternativer Heilmethoden über den Placebo- und Selbstheilungseffekt hinaus zu erklären, wurde jedoch auch bereits erforscht. Wichtig scheint es dabei zu sein, insbesondere den Patienten die unter den ständig zunehmenden Beschwerden und Folgen von zunehmenden "Modekrankheiten" wie Candidapilze im Darm, unspezifische Magen- Darmstörungen, psychosomatischen Befindlichkeitsstörungen bis hin zum Burn-out leiden, den Selbstzugang zu ermöglichen sowie Ruhe und Selbstberuhigung im ausführlichen "therapeutischen" Gespräch zukommen zu lassen, damit diese überhaupt erst einmal herausfinden können, was tatsächlich gut für sie ist und sich keinem fortwährenden weiteren Gesundheitsstress mehr aussetzen müssen, der häufig genug auch in Angst, Panikreaktion und fehlendem Vertrauen begründet ist. Was die "alternativen Heilmethoden" und die Menschen, die diese praktizieren, daher auszeichnet, dass sie Patienten ohne Zeitdruck zuhören, sie entsprechend ernst nehmen und durch eine mitfühlende Zuwendung Effekte erzielen, die viele Patienten als Heilung wahrnehmen. Auch Therapeuten, die es schaffen, mit dem Patienten eher auf der Gefühlebene als über den Verstand zu kommunzieren, können entsprechende Behandlungserfolge verzeichnen.

    Entscheidendes Problem ist jedoch, ob sich diese Therapieeffekte letztlich tatsächlich objektivieren oder verifizieren lassen und man nicht dann doch auf die ganz originären Selbstheilungskräfte bzw. den ganz natürlich Verlauf der Krankheit, die häufig genug selbstlimitierend ist,  verlässt, die einfach nur entspechende Zeit brauchen, um überhaupt zur Wirkung zu kommen bis die Eigenheilung dann eintritt und diese Zeit letztlich nicht einfach durch den Arzt oder Therapeuten mit für den Patienten einigermaßen sinnvoll erscheinenden Maßnahmen vertrieben bzw. überbrückt werden muss.

    In jedem Falle ist es jedoch vollständig absurd, wenn von einer ganzen Reihe von Ärzten dann auch noch diese Ängste weiter geschürt werden, in dem irgendwelche Risikofakoren zu ernsthaften Gesundheitsstörungen erklärt werden oder durch zumeist vollständig unnötige und unsinnige Vorsorgeuntersuchungen auch noch vollständig gesunde Menschen tatsächlich zu kranken Patienten gemacht werden und dann auch noch als letztliche "Krönung" Medikamente mit schweren Nebenwirkungen ohne tatsächlichen klinischen Effekt bei letztlich gesunden Menschen z.B. im Rahmen der Primärprävention der koronaren Herzkrankheit eingesetzt wird.

    Dass sich diese Menschen dann tatsächlich einer "ernsthaften" Medizin entziehen und alternativen Heilmethoden zuwenden, die häufig genug auch von "Scharlatanen" praktiziert werden, bei denen oft genug die Motivation dahinter steckt, kranken Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen, dürfte damit jedoch erklärbar werden. Ganz im Gegensatz zu den vielfältigen Verdrehung von Tatsachen, die jedoch immerhin noch auf einer langjährigen ärztlichen Aus- und Weiterbildung beruht, so dass die beteiligten Ärzte eigentlich letztlich doch wissen können sollten, wie die tatsächlichen medizinischen Fakten und Wahrheiten aussehen, wähnt sich die alternative Medizin komplett von frei von solchen Zwängen. Sie fußt deshalb allzu oft auf reinem "Bullshit". - Zahlreichste Fälle, die derartigen medizinisch-fachlichen Unsinn belegen,habe ich so während meiner bisherigen ärztlichen Tätigkeit selbst erlebt oder durch Berichte von Patienten mitbekommen.

    Literatur

    Frank: Schlechte Medizin. Knaus-Verlag 2. Aufl. 2012

    Gotzsche: Tödliche Medizin und organisierte Kriminialität. Wie die Pharmaindustrie das Gesundheitswesen korrumpiert. Riva-Verlag, 1. deutsche Aufl. 2014

     

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      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeJan 2nd 2015 bearbeitet
     

    (2.1.2015) Medizinhistorische Einordnung der Homöopathie

    Eine typische alternative "Heilmethode", die ganz auf den Selbstheilungs- und Plazeboeffekt setzt, ist die Homöopathie. Man kann sich dabei schon fragen, wieso sich derartig viele Menschen auf eine pseudowissenschaftliche und geradezu obskure Therapie einlassen können, wie diese ehemalig von Hahnemann vor mittlerweile über 200 Jahren entwickelt worden war und mit deren Medikamenten tatsächlich in Deutschland jährlich ein Umsatz von über 400 Millionen Euro gemacht wird.

    Obwohl man dieses heutzutage geradezu als Scharlatanerie anmutende Therapiekonzept der Homöopathie zugegebenermaßen nicht einmal Hahnemann selbst anlasten kann, denn der hat geradezu gewissenhaft unter dem Kontext der damaligen Zeit gehandelt, als er einen Ausweg aus der Orientierungslosigkeit der traditionellen Medizin suchte, die sich in einer tiefen Krise befand und hat insbesondere seine Grundprinzipien auch zunächst streng empirisch und rational begründet. Hahnemann war sicherlich mit seiner allgemeinen Homöopathie der Entwicklung der Medizin in der damaligen Zeit durch die Begründung einer rationalen Heilkunde zunächst sogar voraus, um jedoch dann mit seinen späteren "romatischen" Ideen hinter den allgemeinen Fortschritt zurückzufallen als auch an den medizinischen Fakultäten die naturphilosophischen Spekulationen im Abklinken waren und zunehmend auf naturwisschenschaftliche Methoden und statistische Absicherung gesetzt wurde.

    Zu Beginn seiner Tätigkeit setzte Hahnemann ganz im Gegensatz zu den geradezu drastischen Methoden der damalig geradezu "heroischen" Medizin auf eine sanfte Heilung mit kleinstmöglichen Gaben. Damit grenzte sich Hahnemann schon sehr deutlich zur damaligen desolaten Lage der Medizin ab, als noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf Grund der bestehenden Unsicherheit besonders im Hinblick auf die damaligen Therapie sogar ein therapeutischer Nihilismus propagiert wurde, der in der Gabe von Wassersuppe und Abwarten bestand. Bei der Behandlung von Pneumonien hatte sich nämlich gezeigt, dass mit dieser Methode nur 7 % Todesfälle zu verzeichnen waren, während es unter der Behandlung mit Aderlass, Brechweinstein oder ähnlichem 20 % waren.

    Später, als als das allgemeine medizinische Denken zunehmend materialistischer und rationaler wurde , ezeichnete, wollte sich Hahnemann sich dann jedoch als "echter Heilkünstler" sehen und veröffentlichte seine zu damaligen Zeiten gewagtesten, aus heutiger Sicht geradezu absurde Thesen, die Psora-Theorie, mit der Hahnemann letztlich selbst eingestand, dass seine homöopathischen Methoden allenfalls bei akuten Erkrankungen helfen konnten, jedoch bei chronischen vollständig versagten ("der Anfang war erfreulich, die Fortsetzung minder günstig, der Ausgang hoffnungslos").

    Und es wundert einen schon ganz erheblich, dass sich weite Teile der heutigen Anhänger der Hahnemanns einem Umstand ganz offensichlich verschließen, dass dieser die Homöopathie zu einem beträchtlichen Teils als Oppostion und Komplementarität zur herrschenden Art der Medizin also letztlich der damaligen Mainstream-Medizin gesehen hat und es daher - auch im ganz Sinne von Hahnemann - letztlich geradezu schon absurd anmutet, dass man ernsthaft meint, bestimmte zeitbedingte Aussagen aus dem damaligen medizinhistorischen Kontext herausreißen zu können, und diese unvermittelt in eine spätere Zeit übertragen zu können.

    Wird fortgesetzt...

    Literatur

    Historische Grundlagen - Hahnemann und seine Schüler aus Homöopathie-Jahrbuch des Deutschen Zentralvereins Homöopathischer Ärzte, Sonntag-Verlag 1997  (http://epub.ub.uni-muenchen.de/20812/1/20812.pdf)