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Allergologie Allergie Forum

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    • CommentAuthorRiccarda
    • CommentTimeNov 6th 2014
     
    Lieber Dr. Irion, vor mehr als 5 Jahren probierte meine damals dreijährige Tochter beim Kuchenbacken ein winziges Stück roher Walnuss. Innerhalb von Sekunden reagierte sie mit einem heftigen Quincke-Ödem im Gesicht (in meiner Erinnerung hatte sie vorher schon einmal den fertig gebackenen Walnusskuchen probiert und vertragen). Der KiNderarzt behandelte mit Kortisonzäpfchen und Ceterizin. Nach ca. 2 Stunden war der Spuk vorbei. Uns wurde geraten, fortan auf jeglichen Verzehr von Nüssen oder Spuren davon zu verzichten. Bis dahin hatte meine Tochter Nutella und unterschiedliche Schokoladen gegessen und toleriert. Unser Leben änderte sich komplett. Seither laufen wir immer mit einem Notfallset, meiden Eisdielen, Bäckereien... Kindergeburtstage werden nur mit eigenem Kuchen besucht, wir fahren nur innerhalb Deutschlands in den Urlaub, ich begleite jeden Schulausflug, es gibt keine Übernachtungen bei Verwandten und Freunden usw. Usw... Meine Tochter leidet mit zunehmendem Alter immer mehr. Darum möchte ich jetzt etwas unternehmen. Macht ein oraler Provokationstest Sinn (Allergie Centrum Ruhr- Uni Bochum) ? Kann man auf Grund der (5 Jahre) zurückliegenden Reaktion Rückschlüsse auf einen erneuten Kontakt ziehen? Ist es richtig, dass sie evt. auf jede andere Nussart und auch auf Erdnüsse allergisch reagiert? Muss ich eine Anaphylaxie befürchten? Kann ich vorab ohne ärztliche Unterstützung zu Hause irgendwie herausfinden, ob eine generelle Nussallergie besteht? Ich bin inzwischen durch die widersprüchlichen Informationen auf verpackten Lebensmitteln stark verunsichert, was sich natürelich auch auf meine Tochter überträgt. Was raten sie uns? Herzliche Grüße und vielen Dank für Ihr Engagement Riccarda
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      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeNov 7th 2014 bearbeitet
     

    Vielen Dank für diesen wirklich äußerst interessanten Beitrag.

    Ich möchte zunächst jedoch gerne einmal etwas klarstellen, was mich wirklich mittlerweile massiv ärgert, da es dann genau zu diesen Missverständnissen kommt, unter der dann auch die Patienten geradezu leiden müssen, wie Sie dies hier ja auch deutlich aufzeigen. Es ist einfach nur unfassbar, wie die Ignoranz und Unkenntnis eines guten Teils meiner Kollegen auf dem allergologischem Fachgebiet sich dann derartig auswirkt, nämlich in einer vollständig unnötigen Angst und Panikreaktion, die derartig ganz sicherlich notwendig wäre, wenn man auch nur wenigstens eine gewisse Art von Ahnung hätte.

    Ich habe hierzu kürzlich bereits schon meinen entsprechenden Artikel überarbeitet, um vielleicht doch zumindest ein wenig zur Klärung beizutragen.

    http://www.alles-zur-allergologie.de/Allergologie/Artikel/3447/Angio%C3%B6deme/Angio%F6dem.html

    Grundsätzlich lässt sich unterscheiden zwischem dem eigentlichen "Angioödem" oder auch "Quincke-Ödem" im Gesichtsbereich mit einer tiefen, subkutanen Schwellung, die dann auch tatsächlich zu lebensbedrohlichen Zuständen führen kann, da die Atemwege verlegt werden können und einer oberflächlichen Schwellung, besser dann doch wohl "Urtikaria" genannt, wie diese z.B. im Rahmen eines oralen Allergiesyndroms auftritt; diese Art der Schwellung kann zwar auch ziemlich beeindruckend sein, insbesondere wenn sie dann auch noch im Gesichtsbereich auftritt, ist jedoch letztlich vollständig harmlos und bildet sich in aller Regel innerhalb von Stunden von ganz alleine zurück.

    Sie beschreiben dies ja auch derartig, die Rückbildung der zwar beeindruckenden Schwellung erfolgte innerhalb ganz kurzer Zeit. Die verabreichte Medikation spielt dabei keinerlei Rolle, da ein bereits vorhandenes Gewebsödem, wie dies ja auch bei einer ganz "normalen" Urtikaria vorkommt, nicht durch Steroide oder Antihistaminka beseitigt werden kann. Sinn dieser Medikation ist es vielmehr die mögliche weitere Ausbreitung oder noch viel mehr die Progredienz dieser Symptomatik zu verhindern. Es kann sich also ganz sicherlich - im Falle Ihrer Tochter - nicht um eine tiefes Gewebsödem gehandelt haben und damit auch ganz sicherlich nicht um einen lebensbedrohlichen Zustand.

    Zudem ist mittlerweile auch klar, dass derartig "lebensbedrohliche" Schwellungen in äußerst selten Fällen (gerade einmal in 1 %) allergisch bedingt sind, sondern zumeist in Folge von Infektionen im Kopfbereich auftreten.Wenn dies dann tatsächlich der Fall gewesen wäre, was ich ja jedoch nicht glaube, wäre meine allererste Frage danach, ob ihre Tochter zeitgleich unter Fieber oder Schluckbeschwerden oder sonstigen Hinweisen für einen Infekt gelitten hat.

    Damit besteht zunächst einmal in so gar keinster Weise auch nur irgendein Grund für eine derartige Panikreaktion unter der Sie und ihre Tochter ganz offensichtlich leiden. Diesbezüglich kann ich Sie jedenfalls also ganz sicherlich beruhigen.

    Soviel jedenfalls erst einmal vorab. Zur allergologischen Potenz der "Walnuss"  und möglicher Kreuzreaktionen mit anderen Nahrungsmitteln sowie damit notwendiger diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen schreibe ich dann noch in Kürze etwas..

    Beste Grüße

    Dr. Roland Irion

     

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      CommentAuthorDr. Irion
    • CommentTimeNov 8th 2014 bearbeitet
     

    So, ich habe den Walnuss-Artikel überarbeitet und auf den aktuellen Stand gebracht.

    Ich kann daher also schon eimal ganz grundsätzlich feststellen, dass in aller Regel eine erneute, versehentliche Einnahe des Walnuss-Allergens keine stärkere Reaktion auslösen würde als die ursprünglich stattgefunde; eine ernsthafte anaphylaktische Reaktion, die zudem eher selten tatsächlich zu beobachten ist, wie Sie dies ja offensichtlich befürchten, ist damit ganz sicherlich auszuschließen. Daneben besteht natürlich auch noch die Möglichkeit, dass nach jahrelangem Meiden des Allergens, sich doch noch eine Toleranz entwickelt hat.

    Und um dies dann auch noch einmal anzumerken und klarzustellen, wie ich dies auch schon im Erdnuss-Artikel geschrieben, tatsächlich lebensbedrohliche Zustände oder gar tödliche Fälle gibt es selbst bei diesem doch noch wesentlich potenteren Allergen nahezu ausschließlich bei vorbestehenden Grunderkrankungen wie z.B. einem Asthma bronchiale. Dies scheint ja bei Ihrer Tochter jedenfalls nicht der Fall zu sein. - Also daher nochmalig, Gründe für eine Panikreaktion bestehen ganz sicherlich nicht.

    Jetzt ist nur noch die Frage zu klären, wieso es überhaupt zu der allergischen Reaktion kommen konnte, da ja eine entsprechende Sensibilisierung ja einmal überhaupt erst stattgefunden haben muss, weil ja eine so ganz isolierte Walnuss-Allergie doch schon sehr ungewöhnlich wäre. Bei der Erdnuss ist z.B. beschrieben, dass diese auch über die Muttermilch stattfinden kann. Eine Kreuzsensibilisierung durch andere Nüsse scheint ja auch eher unwahrscheinlich, da ja die Erdnuss und die Haselnuss häufig genug auch als versteckte Inhaltsstoffe in Nahrungsmittel vorkommen und bisher ja keinerlei diesbezügliche Symptomatik bei Ihrer Tochter bekannt ist. Auch eine Kreuzsensibilisierung über die Lipid-Transfer-Proteine und abei dann insbesondere eine klinische Reaktion auf den Pfirsich ist doch auch wohl eher unwahrscheinlich, da diese eher in den Mittelmeerländern, wie Italien oder Spanien vorkommen.

    Besteht vielleicht doch eine Heuschnupfensymptomatik oder zumindest eine Sensibilisierung auf die Frühblüher oder ist zumindest in der Familie irgendwo eine entsprechende allergische Veranlagung vorhanden, dann wäre die ganze Angelegenheit ziemlich klar. Die Hitzelabilität des Allergen, durch den gut vertragenen Walnusskuchen belegt, spricht ja noch zusätzlich für eine Kreuzreaktivität mit den Birkenpollen, da gerade diese Allergene ja gegenüber Proteolyse und Denaturierung wenig stabil sind. Und wie schon geschrieben, auch die eher milde klinische Reaktion mit der Gesichtsschwellung, die zu einem oralen Allergiesyndrom passen würde, würde sehr gut zu dieser Art Kreuzreaktivität passen.

    Ich würde daher jetzt zunächst folgendermaßen vorgehen. Zunächst ein Pricktest auf die Baumpollen und nativer Walnuss, Erdnuss und Haselnuss  sowie die Bestimmung des spez. IgEs auf die Walnussallergene Jug r1 und Jug r3 und gegebenenfalls gleich auch noch auf die erhältlichen Erdnuss- und Haselnussallergene (Ara h1, 2, 3, 8, 9, Cor a1, 8, 9, 14) um eine mögliche Kreuzreaktivität mit den wichtigsten anderweitigen Allergenen auszuschließen.

    Von einer oralen Provokationstestung bei Kindern halte ich dagegen rein gar nichts, da hier möglicherweise schwere anaphylaktische Reaktionen ausgelöst werden können und man doch keine wesentlichen zusätzlichen Informationen erhält, da ja auch nur ein ganz akuteller Status erhoben werden kann und keinerlei Aussagen über eine mögliche künftige Entwicklung gemacht werden können.

    Sollten die Test-Ergebnisse, insbesondere auf die Walnuss-Allergene negativ ausfallen, wovon ich beinahe schon ausgehe, würde ich Ihnen raten, künftig für Ihre Tochter darauf zu achten, Walnüsse zwar immer noch ganz bewusst zu meiden, jedoch ansonsten keine besondere Aufmerksamkeit mehr auf die jeweiligen Inhaltsstoffe der Nahrungsmittel, was die Nüsse und Erdnüsse insgesamt betrifft, walten zu lassen und alles viel lockerer, was die Lebensmittelauswahl betrifft, als bisher zu sehen.

    Sollte ein Ergebnis dagegen positiv ausfallen, müsste man dann doch noch einmal über mögliche Kreuzreaktionen gegenüber anderen Nüssen nachdenken, obwohl eine nachgewiesene Sensibilisierung nicht zwingend eine tatsächliche klinische Reaktion zur Folge haben muss.

    Für Nach- und Rückfragen bei möglichweise weiterbestehenden Unklarkeiten stehe gerne auch weiterhin zur Verfügung. Ansonsten wäre ich natürlich für die gelegentlich Übermittlung der Testergebnisse dankbar.

    Beste Grüße

    Dr. Roland Irion