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Suchbegriffe zu diesem Artikel: MMR, Impfung

Impfstoffe 

Auslöser von Typ I-, Typ III, Typ IV-Reaktionen 

Impfstoffe zählen zu den am besten verträglichen und effizienten Medikamenten überhaupt. Die zunehmende Verwendung von Kombinationsimpfstoffen erhöhte die Quote adverser Reaktionen nicht. Prinzipiell werden bei Impfungen sowohl zellulärer als auch humoraler Teil des Immunsystems gleichzeitig - allerdings in unterschiedlichem Ausmaß - stimuliert. 

Alle Bestandteile des Impfstoffe können unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Allergien auslösen. Bei auftretenden Nebenwirkungen werden die Additiva des Impfstoffes häufig als erstes verdächtigt. Eine Allergie kann selten auch gegen den aktiven Bestandteil der Impflösung selbst gerichtet sein. Das Impfantigen ist jedoch meist nur in sehr geringer Menge vorhanden und wird bei adsorbierten Impfstoffen nur protrahiert freigesetzt, so dass es für allergische Reaktionen kaum in Frage kommt. Der Impfstoff kann neben Impfschäden durch unkontrollierte Vermehrung attenuierter Lebendkeime (z.B. beim Immunsupprimierten) auch eine überschießende Immunkomplex-mediierte Immunreaktion auslösen. Bekannt sind u.a. Fälle von Vaskulitis allergica, Thrombopenie, Arthritis, eines Guillain-Barré-Syndroms sowie Einzelfälle der Auslösung eines systemischen Lupus erythematodes. 

Potentiell allergene Additiva: 

  • Hühnereiweiß (nur bei Influenza und Gelbfieber-Impfstoff) 
  • Ovalbumin bei H1N1-Influenzavirusimpfstoff 
  • Thiomersal/Na-timerfonat (Konservierungsmittel in Totimpfstoffen) 
  • Antibiotika (z.B. Neomycin, Gentamycin) 
  • Gelatine (z.B. im MMR-Impfstoff) 
  • Hefe (Saccharomyces cerevisiae, z.B. im HB-Impfstoff, nur sehr geringe Mengen) 
  • Phenol (Cholera-/Pneumokokkenimpfstoff, Kontaktallergie sehr selten) 
  • Polysorbat (Tween 80 in Grippeimpfstoffen, Kontaktallergie) 
  • Laktalbuminhydrolysat (im oralen Poliomyelitis-Impfstoff, bisher keine Kasuistik) 
  • Aluminiumhydroxid (keine Allergien im Zusammenhang mit Impfstoffen bekannt) 
  • Humanalbumin, Polygeline (Stabilisatoren, keine Kasuistiken) 

Bei MMR-/Tollwut-/FSME-Impfstoffen findet die Impfstoffherstellung auf Hühnerfibroblasten-Zellkulturen statt, jedoch ohne Nachweis residueller Eiweißfraktionen im Westernblot. Diese Impfstoffe wurden in einigen Studien (500 bzw. 54 auf Hühnereiweiß allergische Kinder) problemlos toleriert, so dass lediglich Influenza-Impfstoffe (in Allantoisflüssigkeit) und mehr noch Gelbfieber-Impfstoff (auf Hühnerembryonen, nachweisbar bis 1,6 mg Eiweiß) eine Kontraindikation bei Ei-Allergie darstellen. Hühnereiweißfreie Impfstoffe sind zwar erhältlich, jedoch nicht in Deutschland zugelassen. 

Die Impfstoffe gegen das saisonale wie auch das H1N1-Influenzavirus enthalten Ovalbumin. Jüngste Studien lassen die Impfung bei bestehender Eiallergie dennoch sicher erscheinen. Dazu wurden retrospektiv Daten bei pädiatrischen Patienten, die mit einem zweistufigen Protokoll mit einem 10%- und einem 90%-Aliquot des Impfstoffs (Ovalbumingehalt 0,032-0,7 Mikrogramm/0,5 ml im Abstand von 15-30 Minuten geimpft worden waren. Daruas wurden diejenigen mit Sensibilisierung gegen Hühnereiweiß ausgewählt. Bei den insgesamt 64 Kindern kam es in vier Fällen zu milden Hautreaktionen (6,2%). Drei reagierten bereits auf das 10 %-Aliquot, bei diesen wurde auf die höhere Dosierung verzichtet. Anaphylaxien traten nicht auf. Dies spricht dafür, dass der Impfsotff bei zweistufiger Injektion gut toleriert wird.

In mehreren amerikanischen und japanischen Studien konnte jedoch bei einem Großteil der Kinder, die nach Masern-, Mumps- oder Varizellen-Impfungen (Impfstoffe offensichtlich besonders von japanischen Herstellern) anaphylaktische Reaktionen erlitten hatten, gezeigt werden, dass viele dieser Reaktionen auf den Gelatineanteil in den Impfstoffen ausgelöst worden sind. Diese Kinder tolerierten zum Teil vorher, zum Teil erst danach auch gelatinehaltige Lebensmittel nicht mehr. Beschrieben ist auch eine Typ I-Sensibilisierung gegenüber Gelatine als Ursache anaphylaktischer Reaktionen nach FSME-Impfung. Dabei zeigten sich sowohl ein positiver Pricktest als auch RAST (Ph.) auf Gelatine (siehe auch dort). 

Positive Epikutantestungen auf Thiomersal/Na-timerfonat (siehe auch unter “Thiomersal” finden sich in 6-23 % der getesteten Personen. Eine Impfung ist trotz Vorliegen einer Typ IV-Allergie bei anamnestischem Fehlen systemischer Reaktionen meist möglich. Mehrere retrospektive Untersuchungen von mit Thiomersal-konservierten Impfstoffen behandelten Thiomersal-Allergikern zeigten in Einzelfälle lediglich lokale Nebenwirkungen am Injektionsort. Problematisch ist jedoch die juristische Situation, da die Hersteller dieser Impfstoffe sich durch entsprechende Formulierungen gegen mögliche Komplikationen absichern. Bei Vorhandensein von Thiomersal/Na-timerfonat-freien Impfstoffen sollte ausgewichen werden. 

Die in Spuren vorkommenden Antibiotika stellen gewöhnlich kein nennenswertes Problem dar, ebenso wenig wie Formaldehyd, das im Impfstoff vorhanden, nach Applikation kaum die im normalen Stoffwechsel entstehende Menge übersteigt. 

Am häufigsten sind jedoch Fragestellungen bezüglicher überschießender Reaktionen nach Tetanus-/Td-Impfstoff. Meist handelt es sich dabei um ausgeprägte Lokalreaktionen, ggf. mit passagerem Fieber infolge Überimmunisierung, sehr selten um generalisierte urtikarielle Exanthem. Eine sichere Korrelation der Höhe des präexistenten Tetanus-Antitoxintiters (TAT) zum Ausmaß einer Lokalreaktion im Falle einer Wiederholungsimpfung soll nicht existieren. Bestimmt man jedoch bei den Patienten, die mit einer anam-nestischen überschießenden Lokalreaktion zur Testung erscheinen, so findet man überwiegend hohe bis sehr hohe Schutztiter, was den Verdacht auf Überimmunisierung mit konsekutiver lokaler Immunkomplexreaktion nahe legt. Welche Rolle spezifische IgE-Antikörper spielen ist unklar, da diese auch bei guter Verträglichkeit beobachtet werden. Der Diphtherieanteil ist nur ausnahmsweise für eine adverse Reaktion verantwortlich. 

Allergische Reaktionen durch den Impfstoff an der Injektionsstelle sind nicht selten und liegen etwa im Bereich von 1 Promille bis 1 Prozent. Im Gegensatz zur wesentlich häufigeren ”normalen” oder ”verstärkten” Lokalreaktion treten Rötung, Schwellung sowie Schmerz mit tastbarer Induration aufgrund des zellvermittelten allergischen (Typ IV) Reaktionsmechanismus meist verzögert auf und halten länger an. Als Auslöser kommen die verschiedensten Antigene in Betracht, am häufigsten sind es Konservierungsstoffe und gelegentlich Antibiotika-Rückstände. Normale Lokalreaktionen können je nach Art des Impfstoffes und individueller Veranlagung bei bis zu 30 % der Impfungen auftreten, diese sind als lokale Immunkomplexreaktion zu interpretieren. Eine verstärkte Lokalreaktion kann auftreten bei individueller Veranlagung, zu starker lokaler Immunreaktion, hyperimmunisierten Patienten, allergischer Diathese oder zu oberflächlicher Impfung. Dabei werden speziell bei Tetanusauffrischimpfungen derartige Arthus-Reaktionen aufgrund ausreichend hoher Antikörperkonzentrationen bei 12 % aller Untersuchten (in der Altersgruppe der 21-30jährigen 23 %) gefunden. Wegen der Gefahr erheblicher Nebenwirkungen ist eine Auffrischimpfung bei erhöhtem Tetanus-Antitoxintiter sogar als kontraindiziert einzustufen. Allergische Reaktionen vom Typ III sind die Folge, von der bereits erwähnten Lokalreaktion über die hämorrhagische Vaskulitis bis zur makroskopisch sichtbaren Nekrose. 

Weiterhin wird bei den verstärkten Lokalreaktionen auf Adsorbatimpfstoffe nicht selten ein versehentlicher Rückstrom von Aluminiumhydroxid im Impfstoff in die Subkutis als auslösende Ursache vermutet. Differentialdiagnostisch müssen einerseits Kontaktallergien, etwa auf das zur Hautreinigung angewendete Desinfektionsmittel, bzw. Lokaltherapeutika ausgeschlossen werden. 

Anaphylaktische Reaktionen nach Applikation eines Impfstoffes stellen eine echte Rarität dar. Die klinisch Symptomatik - gleichgültig welches Allergen - beginnt einige Minuten bis längstens 1 Stunde nach Applikation. Hautsymptome stellen Erytheme, Exantheme, Enantheme, Pruritus und gelegentlich Urtikaria dar. Als systemische Zeichen können Unruhe, Flush, Blutdruckabfall, Rückenschmerzen, Nausea, Darmspasmen und Dyspnoe auftreten, gelegentlich auch schwere Schockzustände mit Kreislaufversagen und Atemstillstand. Prodromi stellen meist Lidödem, Rhinitis und Bronchospasmus dar. Pathogenetisch liegt definitionsgemäß ein Typ I-Mechanismus vor mit Nachweis von spezifischen IgE-Antikörpern vor. Differentialdiagnostisch muss auch an eine anaphylaktoide Reaktion gedacht werden. Treten die Symptome nach Gabe von Adsorbat-Impfstoffe auf, ist am ehesten eine versehentliche intravasale Gabe zu vermuten. Bei ”Ohnmachtsanfällen” während oder nach einer Impfung handelt es sich meist um vasovagale oder emotional ausgelöste Symptome. 

Nach einer Influenza-Impfung wurden bisher mehrere Fälle einer systemischen allergischen Vaskulitis mit gastrointestinaler Symtomatik, u.a. blutiger Stuhlgang und Arthralgien sowie auch das Auftreten eines Asthma bronchiale beschrieben. 

Diagnostik 

Die Abklärung vermeintlich allergischer Reaktionen auf Inhaltsstoffe von Impfstoffen sollte initial mit den Einzelsubstanzen und erforderlichenfalls auch mit dem Gesamtimpfstoff erfolgen. Bei verstärkten Lokalreaktionen oder Kontaktekzemen wird primär der Epikutantest eingesetzt. Für Sofortreaktionen zuerst, falls verfügbar, der IgE-Nachweis in vitro, in der Folge die Pricktestung, erforderlichenfalls der Intrakutantest und letztlich der Provokationstest. Eine intrakutane Testung mit Adsorbentien oder mit einem Adsorbatimpfstoff verbietet sich allerdings, da mit einer nicht interpretierbaren Fremdkörperreaktion zu rechnen wäre. Hautteste dürfen, falls überhaupt, nur bei inaktivierten Impfstoffen durchgeführt werden. Eine Ausnahme kann beim MMR-Impfstoff gemacht werden. Kontraindiziert ist die Hauttestung z.B. beim OPV, da es durch Umgehung der Impfbarriere zu Impfpolio kommen kann. Beim Pneumokokkenimpfstoff können nach akzidenteller i.c.-Gabe schwere Lokalreaktionen entstehen. 

Vorgehen im Falle einer vom Patienten vermuteten ”Allergie” auf Tetanusimpfstoff: 

  • Bestimmung des Tetanus-Antitoxintiter (TAT) 
  • Epikutantestung mit Konservierungsstoffen, falls verwendet (z.B. Thiomersal, Timerfonat) 
  • ggf. Pricktest mit Tetanustoxoid, Bestimmung des RAST (Ph.) 
  • falls im TAT kein ausreichender Schutz vorhanden ist, kann bei anamnestischen Lokalreaktionen geimpft werden 
  • Bei angegebenen systemischen Reaktionen besteht u.U. die Möglichkeit einer i.c.-Titration von Tetanustoxoid 1:100 und 1:10 im Abstand von einer Woche unter entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen 

Die in dieser verdünnten Menge von Aluminiumhydroxid zeigt dabei keine erhebliche lokale Toxizität oder persistierende Fremdkörperreaktionen. Der nach sechs Wochen und sechs Monaten (Plateauphase) zu bestimmende TAT weist in der Regel einen ausreichenden Anstieg in den vermutlichen Schutzbereich auf. Mit der Testung ist somit gleichzeitig eine Boosterung verbunden. Die Haut als reaktive Immunorgan benötigt offenbar nur einen Teil der für die i.m.-Gabe notwendigen Antigenmengen. 

Literatur: 202, 203, 204, 205 

Luca et al: Pancolitis after influenza vaccination. Allergy 59, 367 (2004) 

Owens G et al: Higher-ovalbumin-content influenza vaccines are well tolerates in children with egg allrgy. J Allergy Clin Immunol 127, 264-5 (2011)

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